259. Akt
Die
neue Lesereise geht los. Und dieses Mal starte ich in Ingolstadt. Ich
muss da nicht einen Moment drüber nachdenken. In Ingolstadt fühle
ich mich mittlerweile schon fast ein bisschen Zuhause. Und Zuhause
ist der richtige Ort, um mit einer Reise zu beginnen. Selbst, wenn es
eine Lesereise ist.
Es
ist der gleiche Veranstalter, der schon die Lesung im Juli so
akribisch und erfolgreich auf die Beine gestellt hat. Florian gibt
auf allen Kanälen Vollgas, und ich kann mich zurücklehnen, meine
sieben Sachen sortieren und warten, bis es losgeht. Fast schon
paranoid checke ich vor der Abfahrt alles was ich brauche. Da wäre
zum einen der Koffer mit den Büchern für den Verkauf. Dann - ganz
wichtig – meine Brille. Ich fühle mich ohne zwar ein klitzekleines
bisschen attraktiver, aber die Leute wollen ja, dass ich ihnen etwas
vorlese und nicht, dass ich ihnen nur Maulwurfs-blind über das Buch
hinweg zulächle.
Dann
fehlt noch mein präpariertes Buch. Hier habe ich mit Post-its alle
Geschichten markiert, die ich vorlesen werde.
Die
Ingolstädter vertragen ohne weiteres Fiesigkeiten der gepfefferten
Stufe. Deswegen werde ich mit einem Gedicht über Männer starten und
dann vier Herren von sanfter Hand um die Ecke bringen lassen. Also
rein literarisch.
Heute
nehme ich zur Abwechslung mal meine Mutter mit. Das heißt, ich muss
mich beim Lesen auch noch darauf konzentrieren, dass den anwesenden
Gästen nicht noch von meiner Geburt, Schulzeit und allerlei
Schwierigkeiten, die ich als Kind so gemacht habe, berichtet wird.
Ansonsten hat meine Mutter in der Regel Mordsspaß.
Schwierig
wird sie nur, wenn sie meint auf mich aufpassen zu müssen.
Ausgerechnet sie, die jede Menge kreativen Blödsinn im Kopf hat.
Wenn sie mit mir unterwegs ist, haut sie jedem auf die Finger, von
dem sie glaubt, dass sein Interesse über meine Bücher hinaus geht.
Selbst, wenn sie mir damit die ein oder andere äh...
freundschaftliche Tour versaut. Das hat schon einige peinliche
Momente gegeben. Zum Beispiel vor ein paar Wochen. Ich stand mit
einem Verleger – wegen der Lautstärke im Raum – dichter
zusammen, als es ihm ihrer Meinung nach zustand. Da kam sie kurz,
grinste und meinte bloß „Schlaues Kind. Mein Kind. Finger weg!“.
Dann drehte sie ab und holte sich noch einen Prosecco und lachte sich
aus der Ferne schlapp, über meinen strengen Blick und seine
wechselnden Gesichtsfarben. Sollte ich jemals meiner Tochter so ins
Getriebe springen, dann darf sie mich gerne zur Adoption freigeben.
Oder auf einer einsamen Insel aussetzen. Oder sie gewöhnt sich halt
an solche Dinge, wie ich es getan habe.
Das
Hotel, indem die Lesung stattfindet, hat uns eingeladen. Das finde
ich cool. Aber nicht nur das. Dort wird das Verwöhnprogramm deluxe
gefahren.
Es
gibt ein Hammerbuffet, eine Cocktailbar und tausend Dinge, die es
sonst bei Lesungen nirgends gibt. Man darf ja nicht vergessen, dass
der Eintritt frei ist und ich dort nicht meine Seele als Pfand
hinterlegen muss.
Jeder
hat ein eigenes Zimmer. So kann ich bis zur letzten Minute meine
Musik laut über Kopfhörer hören und muss mich nicht von Mutti
nervös machen lassen. Und das kann sie gut.
„Bist
du aufgeregt?“
„Nein
Mutti, bin ich nicht. Ich freue mich.“
„Echt
nicht? Also ich wäre total aufgeregt. Sind ja viele Leute da.“
„Nein
Mutti, ich bin nicht aufgeregt, und ich freue mich, dass viele Leute
da sind.“
„Was
ist eigentlich, wenn gar keiner kommt?“
„Mutti,
es haben rund achtzig Leute zugesagt. Es werden welche kommen.“
„Und
was wenn nicht? Wäre doch total peinlich, oder?“
„Mutti,
es kommen viele Leute.“
„Du
klingst schon ein bisschen nervös...“
„MUUUUUUTTTIIIIIIIII!!!!“
Jeder
hat ein Zimmer für sich. Sehr gut.
Als
es losgeht, habe ich Brille, Vorlesebuch und mich selbst fest im
Griff.
Ich
habe mich für ein feuerrotes Kleid entschieden. Ziemlich, ähem...
aufregend. So können die Leute – sollte irgendwas schief laufen –
wenigstens sagen: „Vom Buch hab ich nix mitgekriegt, aber gut hat
sie ausgesehen.“
Zwei
Stunden später ist die Vorleserei vorbei. Die Leute sind begeistert.
Und ich bin es auch. Die Stimmung ist kolossal. Die Ingolstädter
geben derart Gas, dass ich mich kaum einkriege vor Begeisterung.
Außerdem sind viele Leute extra aus München gekommen und meine
Freundinnen saßen auch im Publikum. Ich mag es, wenn so viele
Menschen meinen Humor teilen. Böse, böse....
Es
wird viel gelacht und die meisten kaufen auch noch ein Buch oder zwei.
Ich liebe meinen Job.
Mutti
hat sich auch ziemlich zusammengerissen. Na ja.... bis auf die
Tatsache, dass sie einem Zuhörer, der extra aus Hamburg angereist
war, verbal auf die Finger geklopft hat. Ich bin total stolz, dass
jemand von so weit her kommt, um mich zu hören. Sie ist der
Meinung, dass er beim meet & greet zu nah an ihrer Tochter sitzt.
Und macht ihm mit der Hand Zeichen, dass sie ihn im Auge behält.
Zeige- und Ringfinger erst in Richtung ihrer Augen und dann zu ihm.
Er muss glauben, sie ist eine Mafiapatin. Aber er ist erwachsen und kann damit umgehen. Irgendwann werde
ich ihr noch beibringen, dass ich kein kleines Mädchen mehr bin. Na ja. Ich
werde es versuchen. Und bis dahin werde ich sie einfach mit dem
Buchverkauf ablenken. Oder sie kriegt noch zwei Cocktails.
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