252. Akt
Showtime...
Es
ist mal wieder Modenschau. Eigentlich nichts, was mich Nächte lang
nicht schlafen lässt. Aber dieses Mal sind die Bedingungen etwas
verschärft. Seit Tagen plagt mich das, was alle zur Zeit plagt.
Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Wenn ich heute für Wärmflaschen,
Aspirin und Heizdecken laufen würde, dann wäre das authentisch wie
nie. Aber das ist ja noch nicht alles. Mit einem leicht verzerrtem
Lächeln gelingt es mir fast vollständig aufrecht zu laufen, denn
„Knie“ habe ich ja auch noch. Seit meiner Wanderung erinnert sich
mein Bein recht gern, innig und unförmig an ungewohntes „Berg-rauf“
und „Berg-wieder-runter“. Was soll´s? Ich mache Quarkwickel. Das
hilft. Ich komme vorwärts.
Meine
Anprobe habe ich schon hinter mir.
Als
ich erstmals von dem Geschäft hörte, gähnte ich. Tja, Damenmode
halt. Aber fünf Minuten nach Betreten, war ich drauf und dran mein
Auto, mein Haus und weite Teile der Verwandtschaft in Zahlung zu
geben. Ein Stück genialer als der andere. Kleider, Blusen, Hosen,
Jacken.... Alles, alles haben will!!! Unbedingt!!
Lediglich
meiner Vernunft ist es zu Gute zu halten, dass ich am Montag keinen
panischen Anruf von meinem Bankinstitut erhalten werde.
Deprimiert
verzichte ich darauf, zu jedem Outfit ein lautes „Ja, einpacken,
bitte!“ zu brüllen und bereite mich auf die Show vor.
An
den Wänden hängen Kunstwerke aus der benachbarten Galerie Cornelia
Walter. Peintre X heißt der Künstler. Leider habe ich seine letzte
Vernissage vor ein paar Tagen wegen eines verpassten Flugzeuges
verpennt. Aber jetzt kann ich mir die Bilder anschauen. Das lenkt
mich vom dringenden Kaufbedürfnis der Klamotten ab.
Ich
freue mich ganz besonders auf die Show, denn dieses Mal habe ich eine
Mitläuferin aus dem eigenen Lager. Tochterkind ist nämlich
ebenfalls als Model dabei.
Es
ist nicht das erste Mal, dass Kind 2.0 und ich gemeinsam auf dem
Catwalk sind, und es macht immer kolossal Spaß. Das einzige, was es
für mich schwierig macht, ist mein exorbitanter Mutterstolz. Jedes
Mal, wenn wir uns im Scheinwerferlicht begegnen, muss ich dem Impuls
widerstehen, sie anzuspringen, rumzuwirbeln und ganz laut zu brüllen
„Hab ich nicht ein umwerfend schönes Kind???“ Bis jetzt hatte
ich mich immer im Griff. Es wäre ihr auch bestimmt exorbitant peinlich gewesen und hätte sensationell unprofessionell
gewirkt. Und das ist auch wieder doof.
Ich
muss grinsen. Es laufen noch zwei weitere Mutter-Tochter-Gespanne
mit. Eines davon ist mir noch unbekannt, und das andere ist die süße
(okay, sie hasst, wenn man sie süß nennt, aber ich tue es trotzdem
;-)) Dagmar mit ihrer Tochter Tabea. Ich werde bei beiden Paarungen
nachher ganz genau hinschauen. Vielleicht werde ich ja mal Zeuge, wie
ein andere Frau die Kontrolle über ihren Mutterstolz verliert und
ihre Tochter über den Haufen knutscht. Mein Verständnis hätte sie
jedenfalls.
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