Donnerstag, 6. Oktober 2016

242. Akt

Es ist spät. Eigentlich wollte ich früh ins Bett, aber das will ich grundsätzlich immer. Nun ja, nun sitze ich also drei Stunden nach geplanter Zubettgehzeit, heftigem Küche- und Badputzen und schon mal Vorkochen, am Computer. Mir ist nämlich eingefallen, dass ich noch ein paar Überweisungen erledigen muss. Der Überweisungsträger, der mir als erstes in die Hand fällt, ist an ein Formular und an ein Anschreiben geheftet. Gefordert werden fünfzehn Euro. Auf dem Anschreiben findet sich ein schwarz-weiß Bild von mir. Mist! Andere sehen auf ihren Blitzer-Fotos echt sexy aus. Ich sehe immer bloß nach "Ach Gott, ach Gott, wo muss ich lang?" aus.
Gut. Fangen wir an. Ich trage also oben Polizeiverwaltung, IBAN, Verwendungszweck und so weiter ein. Dann drücke ich auf „Senden“. Onlinebanking ist schon praktisch. Kein Gerenne mehr zur Bank. Alles zu jederzeit machbar.
Ich schaue auf mein Handy. Normalerweise blinkt eine Sekunde nach Senden dort die benötigte TAN auf, die ich zum Bestätigen der Überweisung brauche.
Ich schaue noch ein bisschen. Dann nehme ich mein Telefon in die Hand. Ich klicke auf Nachrichten, aber es ist nichts eingegangen. Es hilft nichts, das Handy zu schütteln. Also lasse ich es. Nach zwei Minuten immer noch keine TAN. Mir wird siedend heiß. Vor zwei Tagen hat jemand versucht sich Zugang zu meinem Computer zu verschaffen. Sollte es ihm trotz Kaspersky, Antivirenprogrammen und heftigen Betens meinerseits dennoch gelungen sein? Bin ich gehackt worden und jemand räumt gerade laut lachend mein Konto leer? Panik. Wo ruf ich an. Hiiiilfeeee. Ich werde gerade ausgeraubt. Also virtuell. Vermutlich. Ich starte mein Handy neu. Immer noch nichts. Ich versuche es nun doch mal mit Schütteln. Immer noch nichts. Noch mehr Panik. Irgendwo muss doch auf der Sparkassenseite eine Notnummer stehen, die ich anrufen kann. Es beginnt ein hektisches Suchen nach jemandem, den ich meine Ängste auch noch weit nach Mitternacht schildern kann. Vermutlich würde ich die Nummer aber auch dann nicht sehen, wenn sie bildschirmgroß in bunten Farben vor mir blinken würde. Ich bin einfach zu aufgeregt.
Dann „PING!!!“. Die TAN leuchtet auf. Wo hat sich dieses verflixte Ding nur in Zeit und Raum versteckt, bevor es kam?
Ich entspanne mich. Die Überweisung ist durchgeführt, und ich schwöre mir Bankgeschäfte nur noch zu Zeiten zu machen, in denen ich Notfalls noch persönlich in einer Bank aufschlagen könnte. Zwei Minuten später weiß ich, dass dieser Gedanke Quatsch ist. 
Mein Atem hat den panischen Hechelmodus bereits wieder verlassen, aber an Schlaf ist nicht zu denken. Ich bin ja frisch auf Puls. Ich schaue mich um. Hier gibt es nichts zu tun. Obwohl? Die Gardinen können mal wieder in die Wäsche und im Keller könnte ich auch noch rasch durchfeudeln. Aber morgen gehe ich sicher früher ins Bett.

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