Dienstag, 11. Oktober 2016

247. Akt 

"Wie viele Follower hast DU eigentlich?" 
Mein fragendes Gegenüber ist auch Blogger, so wie ich. Allerdings ist er ein Vollblut-Blogger, so mit Videos und Fotos und Tralala. Bei ihm geht es um Lebensberatung oder eben neudeutsch „Coaching“. Er sitzt, lächelt mich charmant an und süppelt genüsslich an seinem Virgin-Mojito. Ich habe ihn vorhin gefragt, ob ein Virgin-Mojito nicht ne bessere Limo auf Eis ist, aber ich wurde mit dem „Du hast ja keine Ahnung“-Lächeln niedergegrinst.
Nun ja. Wie viele Follower habe ich? Als ich mit dem „ich-fass-es-nicht-Blog“ begann, wusste ich immer recht genau darüber Bescheid. Vierzig Aufrufe? Aha, mein inner-circle bei Facebook und Mutti mit ihrer Freundinnen-Gang.
Dann stieg es langsam an, und ich wusste nicht wieso. Gefreut habe ich mich allerdings trotzdem. Zumal ich eigentlich immer noch keine Ahnung davon habe, was ich tue.
Heute sind es an schlechten Tagen etwa dreihundert und an guten fünfhundert Leser. Je nachdem wer, wie, wo, was in welchem Bereich geteilt hat.
Um mich für das Virgin-Mojito-Grinsen zu rächen, verschweige ich die schlechten Tage und lächle ein „durchschnittlich fünfhundert“ zurück.
Der Mojito scheint im Hals zu kratzen, denn der Mann hinter dem Strohhalm beginnt zu husten.
Fünfhundert? Jeden Tag?“ (können Augen eigentlich aus den Höhlen ploppen, wenn man sie zu weit aufreißt?)
Ich nicke zu den fünfhundert und lüge „Manchmal auch ein paar mehr.“
Aha!“
Ja. Schön, nicht?“ Anhand seines Verhaltens brauche ich keine Fragen zu seinen Follower-Zahlen zu stellen. Ich will ja nicht, dass er weint.
Und dabei hast du gar keine echten Inhalte im Blog.“
Ich glaube nicht, dass er das beleidigend meint und deswegen zickt mich das auch nicht weiter an.
Nee, ich will nur unterhalten. Keine Belehrungen oder „falsch“ und „richtig“. Nur ein bisschen Spaß und Geschichten aus meinem Leben. Ist mir eigentlich auch wurscht, wie viele das lesen. Hauptsache, die, die es lesen haben Spaß und was zum schmunzeln.“
Aha!“
Ja.“
Schmunzeln?“
Ja.“
Es schreibt doch keiner bloß einen Blog zum Schmunzeln. Wo willst du denn damit hin. Also mit deinem Blog?“
Äh, wie schon gesagt, mir reicht völlig, wenn mich eine Krankenschwester anschreibt, dass sie nach einem langen, harten Tag als Letztes immer meinen Blog liest und dann lachend ins Bett geht.“
Du würdest also auch für eine einzige Krankenschwester schreiben?“
Na ja. Wenn es nur eine wäre, dann würde ich sie eher anrufen und so zum lachen bringen.“
Mein Gegenüber wirkt genervt. Ich möchte die Stimmung retten.
Hey. Wenn du lange genug dranbleibst, dann gehen deine Zahlen auch bald hoch. Wie lange bloggst du denn schon?“
Seit acht Jahren!“
Ooops. Na ja. Was soll ich dazu noch sagen.
Und dann bestelle ich mir einen Pina-Colada. Den gibt’s auch in der Virgin Variante. Aber da pfeif ich drauf. Das Zeug hat eh so viele Kalorien, dass ich den Alkohol schon alleine dafür brauche, nicht weiter drüber nachzudenken. Mein Blogger-Kollege schaut auf die Uhr.
Ich muss dann mal los.“ er grinst. „Muss noch was schreiben.“
Ich grinse zurück. „Ich geh auch bald. Mir ist gerade was hübsches für meinen Blog eingefallen“
Wir verabschieden uns. Und wie ich ihn von hinten gehen sehe, wirkt er zwei Zentimeter kleiner als bei der Ankunft. Vielleicht sollte ich mal was über die schrumpfende Wirkung unangenehmer Nachrichten bloggen?

Der Pina Colada kommt und ich hole mein schrabbeliges Notizbuch raus. Damit ich nix vergesse. 

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