Dienstag, 18. Oktober 2016

254. Akt

So... was haben wir denn so alles gelernt in unserem Leben im Allgemeinen und unserem Leben als Frau im Speziellen?
Da wird es doch weit mehr geben, als die Erkenntnis, dass man jenseits der Vierzig nur noch mit fest geschlossenen Beinen niest.
Da gibt es zum Beispiel die unerklärliche Leichtigkeit des Seins. Genauer gesagt, die Leichtigkeit mit der man die Veränderungen des Körpers akzeptiert. Man hatte bis Mitte zwanzig noch eine knackige Figur, konnte diese aber nicht genießen, weil die Arbeitskollegin eine noch viel knackigere Figur hatte? Alles Geschichte. 
Frauenkörper sind einfach nicht dafür gemacht, bis zur eigenen Bestattung mit einer prallen 75 DD und drahtigen Oberarmen zu beeindrucken. Frauen bekommen Kinder oder auch nicht. Aber was sie definitiv bekommen ist schwächelndes Bindegewebe. Alle. Ohne Ausnahme. Manche früher, andere später. Die eine stärker, die andere schwächer. Keine Frau fühlt sich jenseits der vierzig so (an), wie sie es mit zwanzig tat. Und das ist gut so. Denn wenn physische Veränderung mit der dazugehörigen Akzeptanz einhergeht, dann sind Frauen über vierzig absolut unschlagbar. Sie sind weicher, weiblicher. Sie werfen sich nicht mehr in jeden Battle mit anderen Frauen, bei dem sie nur verlieren können, und wenn es bloß die eigene Würde ist. Sie betrachten andere Frauen nicht mehr als unmittelbare Konkurrenz, denn sie wissen, dass sie selbst, konkurrenzlos sind.
Ihr Selbstbewusstsein macht sie viel sexier, als es jede thigh gap, jeder aufgeworfene Schmollmund es je könnte. Die zurückliegenden Jahre verleihen ihrem Blick etwas Wissendes, Geheimnisvolles.
Das alberne Rumgestakse auf zu hohen Plateaus ist schon lange einem Gang gewichen, der selbst in Gummistiefeln erotischer und selbstbewusster wirkt.
Ein gutes Glas Wein geht genauso wie ein großes Weißbier. Ständig wechselnde Trendgetränke sind für Anfänger, die eben noch nicht wissen, was sie wollen und was ihnen schmeckt. Über verschmierten Lippenstift einer anderen Frau wird nicht gelacht, sondern es wird ihr mit einem Lächeln mitgeteilt. Das gilt auch für Laufmaschen, Klopapier am Absatz und der Tatsache, dass der Typ an ihrer Seite ein Honk ist, der alle seine Aufrisse in die Welt hinaustratscht.
Generell freut man sich nicht mehr über jeden Kerl, der äußert, dass er einen ganz schrecklich scharf findet, sondern wendet sich häufiger mal amüsiert ab und ist sich zügig darüber im Klaren, was man nicht will. Und vor allem wen. Nicht jede Krise ist ein Weltuntergang und wenn es doch einer ist, dann wissen wir, welcher Wein am besten dazu schmeckt.
Mit sechzehn dachte ich, dass mein Leben jenseits der dreißig vorbei ist und ich ab vierzig nur noch mit anderen Pre-Rentnerinnen auf den Wechsel der Jahreszeiten warte. Oder meinen Kindern Geld biete, damit sie mich beim Stützstrumpfkauf begleiten. Alles Käse.
Heute bin ich neugieriger, spannender, gespannter, interessierter und interessanter als je zuvor.
Mit den Jahren habe ich gelernt, dass es etwas gibt, das besser ist als „noch viel besser“. Und das ist schlicht und ergreifend „gut“. Wenn mir „gut“ gefällt, wird alles besser. Wenn ich immer nur dem „besser“ hinterherjage, wird mir alles „Gute“ nicht reichen. Eigentlich frustrierend, oder?
Wenn ich jetzt morgens aufstehe, dann merke ich hin und wieder mein Knie oder meinen Nacken. Manchmal entdecke ich auch ein neues graues Haar. Und dann denke ich: “Hab ich nicht geile Knie und einen Nacken zum Niederknien? Ich finde mich toll! Und für das graue Haar gibt´s günstige Ansatzfarbe.“ Alles kein Problem, wenn man erwachsen ist.
Und dann frage ich mich. Wenn die Vierziger schon so geil sind, wie genial müssen denn dann die Fünfziger werden?

3 Kommentare:

  1. Definitiv noch geiler ;-)...Ich habe mit Fünfzig mein Leben noch einmal vollkommen umgekrempelt, habe ein 2. Studium gestartet und lebe meine Leidenschaft, die Malerei. Zwar merkt frau über Fünfzig bzw. Sechzig noch häufiger mal Knie und Nacken, aber die Gelassenheit und das Insichruhen nimmt weiter zu, wenn frau sich selbst annimmt und ihre Mitte gefunden hat. Ich erwische mich ab und an dabei, dass ich mein Alter vergesse, weil ich mich mental jünger und lebendiger fühle als mit Zwanzig oder Dreissig. In diesem Sinne sei gespannt auf die nächsten Dekaden ;-) und hab einen zauberhaften Tag...Liebe Grüße
    Dagmar

    AntwortenLöschen
  2. Vielen, lieben Dank für deinen Kommentar. Ich bin beeindruckt und höchstgradig erfreut über das, was mir das Leben alles an Spaß, Freude und Erkenntnis bietet. Und Frauen wie du zeigen mir, dass alle Sorge über einen altersbedingten Einbruch der Lebensqualität komplett für die Katz sind. Wir sind die schärfsten. Basta! :-)

    AntwortenLöschen
  3. Tschakka!!!

    Das hast Du wieder einmal so genußvoll gut geschrieben!....wir waren ja jetzt beim Du, gell?
    Fr. Nühm

    AntwortenLöschen