Dienstag, 1. November 2016

268. Akt 

Wir verwenden den Tönungsfestiger, das hält besser, gibt schönen Glanz und deckt die grauen Haare ab.“
Ich schaue in den Spiegel. Wo sieht Nadya, die Visagistin, verflixt nochmal graue Haare? Im Augenblick ist doch alles ganz ordentlich ungrau und frisch ansatzgefärbt.
Egal. Dann halt für den Glanz. Die Kreuzung aus Haartönung und Festiger war mir bis heute nicht geläufig, aber sei´s drum. Sie wird schon wissen, was sie tut.
Bevor ich mich versehe landet eine dicke Wolke an braungrau schimmernder Pampe auf meinem Haar, bevor selbiges derart aufgelockt wird, als hätte ich lächelnd mit nassen Fingern in die Steckdose gelangt. Dreimal hintereinander.
Das Endergebnis sieht ganz prima aus. Ein bisschen wie ein indischer Pumuckl und ein bisschen wie Diana Ross. Mir gefällt´s und den anderen offensichtlich auch. Ich frage, ob ich wegen des Festigers irgendwas beachten muss. „No!“ sagt Nadya. Alles bestens.
Während der folgenden Stunden wird auf den Straßen in London, in Cafés und in einem Hotel fotografiert.
Zwischendurch müssen wir unterbrechen. Tochterkind muss zu PINK der Sportabteilung von Victorias Secret. Als ich meiner Mutter davon schreibe, fragt sie zurück, ob Kind 2.0 jetzt auch Flügel kriegt und nix mehr essen darf. Ich erkläre ihr, dass es sich bei der Abteilung PINK nicht um die Dessous handelt, die einmal im Jahr von Victorias Secret Engeln vor hechelndem Publikum vorgeführt werden. Sportkram und so. Bloß ein bisschen cooler. Aber Tochterkind ist cool. Also passt es ja.
Das mit dem erst nach rechts schauen, wenn ich lächelnd auf die Straße springen soll, vergesse ich hin und wieder. Wenn das so weiter geht, entsteht gleich noch eine Fotoserie, die zeigt, wie ich unter einem britischen Taxi vorgezogen werde. Letztendlich habe ich aber immer Glück.
Blöd wird es nur, als wir in einem Café Pause machen. Ich lehne mich entspannt an die weiße Wand. Als ich Minuten später meinen O-Saft austrinken will, schauen Tochterkind und Nadya auf die Wand hinter mir. Dort prangt, genau wo mein Kopf zuvor war, ein Kuchenteller großer brauner Fleck. Nee, mit Tönungsfestiger muss ich nichts beachten, hä??
Außer, dass er alles tönt, wo ich halt mit dem Kopf gegen stoße.
Philip, der Fotograf, spricht mit der Dame vom Café. Dann ziehen wir weiter. Für den Rest des Tages versuche ich, nichts und niemanden mit meiner Birne zu berühren. Und eins ist mir klar. Bevor ich heute ins Bett gehe, kommt das Zeug wieder runter. Sonst sieht mein hübsches weißes Kissen morgen nämlich so aus, als ob jemand es zur Straßenreinigung verwendet hat. Und das wäre mir dann doch ziemlich peinlich.


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