274. Akt
Der
erste Schnee. Während mein Sohn, als absoluter Wintermensch, fast
Räder schlägt, nimmt meine Tochter das Wetter nur so weit wie nötig
zur Kenntnis. Schnee? Winter? Jetzt schon? Schön! Ähnlich
wird sie auch in sechs Monaten reagieren. Sonne? Sommer? Jetzt
schon? Cool!
Ich
hingegen stehe am Fenster und betrachte die Sache eher ambivalent.
Schnee,
so lange er weiß und flockig darnieder kommt und entspannt am
Straßenrand liegenbleibt ist okay. Also zumindest zwischen Ende
November und Anfang März. Aber eben nur am Straßenrand oder auf
freien Flächen.
Am
schönsten wäre es natürlich, wenn es dafür nicht auch noch immer
so fies kalt sein müsste. Schnee bei 23 Grad Außentemperatur, ja!
Das könnte mich begeistern. Aber irgendwie schließt sich die
Bildung von Schneekristallen dann ja schon über die Plusgrade aus.
Mist! Als vor vielen Jahren die Beziehung zum Vater der Kinder in die
Binsen ging, war ich mir sicher, wenn noch mal nen Leistungssportler,
dann sicher einen Surfer. Dann läge ich bei 30 Grad am Strand von
Hawaii und würde entspannt hinter meinem Maitai hervorlächeln,
während mein Schatz auf dem Wasser Hobby oder Arbeit fröhnt.
Letztendlich gestaltet sich Partnerwahl in der Regel aber unabhängig
von Jahreszeiten. Also war´s ja dann auch Essig mit dem Surfer,
Hawaii und Arbeitsplatz Beach.
Und
nun stehe ich hier und widerstehe dem Impuls, die Bobschlitten der
Kinder schon mal auf die Terrasse zu stellen. Noch vor zehn Jahren
wären sie dabei vor Freude ausgerastet. Heute würden sie sich
vermutlich bloß fragen, ob Mama irgendwelche Medikamente vergessen
oder zu viel eingenommen hat. Kurz gehe ich die Winterlogistik durch.
Die richtigen Reifen sind schon längst aufgezogen. Der
Schneeschieber steht draußen in der Hütte. Salz verwende ich
keines, also brauch ich´s auch nicht zu besorgen. Skihose,
Strumpfhosen, Rollis und Mützen sind in greifbarer Nähe. Im Prinzip
bin ich gerüstet. Also in der winterlichen Umsetzung. Moralisch
hänge ich allerdings noch dem Sommer nach. Was hat der Winter für
Vorteile? Ich schiele kurz auf den Süßigkeiten-Schrank. Ja, okay.
Meine Skihose kompensiert Kaloriensünden besser als so ein Herve
Leger Bodycon-Kleid. Zumindest nach außen hin. Aber reicht mir das
als Grund zur Freude? Na ja, eher so mittel. Das schöne ist aber, so
wirklich stören tut es mich nicht. Ich kann ja eh nix ändern. Also
genießen wir die Vorteile, die der Winter bringt und ärgern uns
nicht weiter. Und während der Schnee schon wieder dünner wird,
schreibe ich ein paar Sachen auf, mit denen ich das Süßigkeiten-Fach
aufrüsten kann. Letztendlich muss man sich bloß zu helfen wissen.
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