Samstag, 5. November 2016

272. Akt

Der Fernseher geht nicht. Nicht, dass er nicht angeht. Nein, das Licht am unteren Rand leuchtet grün, wenn man einmal draufdrückt und es leuchtet rot, wenn man auf die „Aus“-Taste drückt. Aber er geht trotzdem nicht. Kaum ist er soweit, dass ein Bild sichtbar sein sollte, erscheinen nur zwei Worte: Kein Signal
Ich schaue auf die Fernbedienung und dann wieder auf den Bildschirm. Jetzt bloß keine Panik. Der Fernseher leuchtet grün und das heißt, er ist nicht völlig hinüber. Ich schalte noch ein mal aus und dann wieder an. Ganz vorsichtig. Vielleicht braucht er ja bloß Zuspruch und ein bisschen Geduld.
Ich atme ruhig ein und aus. Und versuche es erneut. Mein Atem gleicht schon bald einem Hecheln. Und der sanfte Druck ist einem Hornhaut-bildendem Rubbeln auf den Tasten der Fernbedienung gewichen.
Jetzt ist aber mal Essig mit Zuspruch und Geduld. Bloß, weil ich nicht wirklich irgendwas sehen muss, heißt das nicht, dass ich nicht zumindest die Möglichkeit haben will, etwas zu sehen, wenn etwas käme.
Wie eine Gestörte beginne ich nun jede erdenkliche Taste auf dieser Fernbedienung zu drücken. Nach zwei Minuten hämmere ich schweißgebadet sämtliche Tastenkombinationen auf diesen schwarzen Riegel, reiße Batterien raus und stopfe sie wieder rein und entstöpsel jede Verbindung zu den Steckdosen, bevor ich den Stecker quasi schon mit blutunterlaufenen Augen wieder in die Dose ramme.
Nix. Immer noch nix. „Kein Signal“ so wie schon seit einer quälenden halben Stunde.
Ich werfe mich rückwärts auf mein Sofa. Mir fallen keine Flüche mehr ein, die ich ausstoßen könnte. Ich will jetzt fernsehen! Selbst, wenn ich es gar nicht will. Ich hasse es, wenn ich meiner Möglichkeiten beschnitten werde. Selbst wenn die Rebellion nur von einem TV-Gerät ausgeht.
Mein Handy summt neben mir. Mein bester Freund ruft an. Ich mag erst gar nicht rangehen. In der jetzigen Stimmung klinge ich vermutlich ziemlich unfreundlich. Na ja, das muss er abkönnen. Er kennt mich ja nicht erst seit gestern. Gleich nach meinem „Hallo“ werde ich gefragt, wen ich gerade ans Kreuz nageln will und warum. Ich mag es nicht, wenn ich ohne mein Wollen so ratzfatz entlarvt werde, aber er ist nunmal mein bester Freund und er hat es auch nicht verdient, stellvertretend für meinen Fernseher in Grund und Boden geschimpft zu werden. Er bleibt ruhig (Ruhe stört mich jetzt immens). Aber Recht hat er. Ich soll fünf Minuten die Luft anhalten und einfach mal aufhören, die Fernbedienung zu malträtieren.
Wenige Momente später kommt ein Link von einer Störungshotline und siehe da, mein armer Fernseher kann gar nichts dafür. Die Störungsstelle meldet nämlich eine große Ansammlung von Störungen in meinem Gebiet. Und zwar bei Kabel Deutschland. Na da kann ich mich ja sanft wieder abregen. Ich rufe zurück und bedanke mich, für die besänftigende Reaktion.
Für einen kurzen Moment hatte ich schon darüber nachgedacht, meinen Fernseher durch heftigen Kontakt mit den Reifen meines Autos zu bestrafen.
Ich werde schlicht und ergreifend abwarten müssen. Das kann ich. Also, wenn ich weiß, dass ich keinen weiteren Einfluss auf die Technik habe.
Alles kein Problem. Und überhaupt ist es doch völlig wurscht. Kommt ja eh nix, was ich sehen will. Wenn da steht „Kein Signal“, dann ist es halt so. Pöh, wer muss schon Fernsehen? Kommt ja ohnehin nur Schrott. Ich setz mich lieber an den Rechner und arbeite noch ein bisschen am neuen Buch. Da gibt es immer ein Signal. Darauf kann ich mich verlassen. Denn das kommt aus meiner Birne und ganz sicher nicht von RTL.



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