272. Akt
Der
Fernseher geht nicht. Nicht, dass er nicht angeht. Nein, das Licht am
unteren Rand leuchtet grün, wenn man einmal draufdrückt und es
leuchtet rot, wenn man auf die „Aus“-Taste drückt. Aber er geht
trotzdem nicht. Kaum ist er soweit, dass ein Bild sichtbar sein
sollte, erscheinen nur zwei Worte: Kein Signal
Ich
schaue auf die Fernbedienung und dann wieder auf den Bildschirm.
Jetzt bloß keine Panik. Der Fernseher leuchtet grün und das heißt,
er ist nicht völlig hinüber. Ich schalte noch ein mal aus und dann
wieder an. Ganz vorsichtig. Vielleicht braucht er ja bloß Zuspruch
und ein bisschen Geduld.
Ich
atme ruhig ein und aus. Und versuche es erneut. Mein Atem gleicht
schon bald einem Hecheln. Und der sanfte Druck ist einem
Hornhaut-bildendem Rubbeln auf den Tasten der Fernbedienung gewichen.
Jetzt
ist aber mal Essig mit Zuspruch und Geduld. Bloß, weil ich nicht
wirklich irgendwas sehen muss, heißt das nicht, dass ich nicht
zumindest die Möglichkeit haben will, etwas zu sehen, wenn etwas
käme.
Wie
eine Gestörte beginne ich nun jede erdenkliche Taste auf dieser
Fernbedienung zu drücken. Nach zwei Minuten hämmere ich
schweißgebadet sämtliche Tastenkombinationen auf diesen schwarzen
Riegel, reiße Batterien raus und stopfe sie wieder rein und
entstöpsel jede Verbindung zu den Steckdosen, bevor ich den Stecker
quasi schon mit blutunterlaufenen Augen wieder in die Dose ramme.
Nix.
Immer noch nix. „Kein Signal“ so wie schon seit einer quälenden
halben Stunde.
Ich
werfe mich rückwärts auf mein Sofa. Mir fallen keine Flüche mehr
ein, die ich ausstoßen könnte. Ich will jetzt fernsehen! Selbst,
wenn ich es gar nicht will. Ich hasse es, wenn ich meiner
Möglichkeiten beschnitten werde. Selbst wenn die Rebellion nur von
einem TV-Gerät ausgeht.
Mein
Handy summt neben mir. Mein bester Freund ruft an. Ich mag erst gar
nicht rangehen. In der jetzigen Stimmung klinge ich vermutlich
ziemlich unfreundlich. Na ja, das muss er abkönnen. Er kennt mich ja
nicht erst seit gestern. Gleich nach meinem „Hallo“ werde ich
gefragt, wen ich gerade ans Kreuz nageln will und warum. Ich mag es
nicht, wenn ich ohne mein Wollen so ratzfatz entlarvt werde, aber er
ist nunmal mein bester Freund und er hat es auch nicht verdient,
stellvertretend für meinen Fernseher in Grund und Boden geschimpft
zu werden. Er bleibt ruhig (Ruhe stört mich jetzt immens). Aber
Recht hat er. Ich soll fünf Minuten die Luft anhalten und einfach
mal aufhören, die Fernbedienung zu malträtieren.
Wenige
Momente später kommt ein Link von einer Störungshotline und siehe
da, mein armer Fernseher kann gar nichts dafür. Die Störungsstelle
meldet nämlich eine große Ansammlung von Störungen in meinem
Gebiet. Und zwar bei Kabel Deutschland. Na da kann ich mich ja sanft
wieder abregen. Ich rufe zurück und bedanke mich, für die
besänftigende Reaktion.
Für
einen kurzen Moment hatte ich schon darüber nachgedacht, meinen
Fernseher durch heftigen Kontakt mit den Reifen meines Autos zu
bestrafen.
Ich
werde schlicht und ergreifend abwarten müssen. Das kann ich. Also,
wenn ich weiß, dass ich keinen weiteren Einfluss auf die Technik
habe.
Alles
kein Problem. Und überhaupt ist es doch völlig wurscht. Kommt ja eh
nix, was ich sehen will. Wenn da steht „Kein Signal“, dann ist es
halt so. Pöh, wer muss schon Fernsehen? Kommt ja ohnehin nur
Schrott. Ich setz mich lieber an den Rechner und arbeite noch ein
bisschen am neuen Buch. Da gibt es immer ein Signal. Darauf kann ich
mich verlassen. Denn das kommt aus meiner Birne und ganz sicher nicht
von RTL.
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