290. Akt
Der
Schlüssel dreht sich im Schloss und ich bin ein bisschen irritiert.
Tochterkind kommt aus der Schule? Ist doch eigentlich viel zu früh.
Sie kommt zu mir ins Büro und sieht traurig aus. Das mag ich nicht.
Albern? Ist okay! Fröhlich? Ist prima! Genervt? Lässt sich auch
ertragen! Aber traurig, nee, das mag ich nicht. Dann zeigt sie mir
ihr Telefon.
Ich
habe es ja nicht mit Technik. Weder mit Android noch mit Apple, aber
ein geborstenes Display kann auch ich erkennen. Sieht nicht
wirklich gut aus.
Dann
erzählt sie, was passiert ist. Kurz vorm Gymnasium wurde sie von
einem Radfahrer über den Haufen gefahren. Von hinten. Ich fass es
nicht! Dem Typen hat es wohl nichts weiter ausgemacht. Kurz
angehalten, umgedreht, wieder in den Sattel und weg war er. Blöd
nur, dass Tochterkind dadurch zu Fall kam. Und ihr Handy ebenfalls.
Ihr
ist glücklicherweise weiter nichts passiert, aber ihr Telefon hat
den Kontakt mit dem Bürgersteig weit weniger gut weggesteckt.
Sie
beschreibt den Radler als grauhaarigen Mann über fünfzig, auf einem
silbernen Fahrrad. Ja, über fünfzig
ist relativ und silberne Fahrräder nicht wirklich selten. Und
dennoch. Mein erster Reflex ist sofort loszuziehen und jeden
in Frage kommenden Radfahrer im Genick zu packen und für eine
Gegenüberstellung nach Hause zu schleifen. Aber glücklicherweise
setzt dann mein Verstand ein und weist mich auf die strafrechtlichen
Konsequenzen einer entsprechenden Handlung hin. Ich frage mehrfach
nach, ob sie wirklich nicht und nirgends verletzt sei. Aber so wie es
aussieht, hat Tochterkind keine weiteren Beschädigungen
davongetragen. Wenn sie auch nur eine Schramme hätte, würde ich
nicht einen Moment zögern und diesen dämlichen Vollpfosten
ausfindig machen. Unter Umständen müsste ich mal ein paar Tage vor
der Schule warten, um zu schauen, ob es sich um seine Stammstrecke
handelt. Für den Fall, dass es so ist, würde ich dafür sorgen,
dass er künftig und lange ohne Sattel fährt. Im Gelände. Ohne
Schmerzmittel!
Anzeigen
lohnt nicht. Viel zu wenig Informationen. Die Anzeige würde im Sande
verlaufen und mich nur unnötige Energie und Lebenszeit kosten.
Okay...
jetzt ist erst mal Schluss mit arbeiten. Ich packe Kind 2.0 ein und
wir fahren zu Apple. Sie hat sich das Telefon zu weiten Teilen hart
erspart. Auch wenn ich das Geld nicht wirklich selber drucke und
selber nur ein altes Samsung habe, kann ich sie mit dieser
Bröselscheibe und den weiteren Defekten nicht einfach so alleine
lassen. Und falls sie mir auf dem Weg den Radfahrer zeigt, der sie
vorhin über den Haufen gemangelt hat, könnte es dann doch
passieren, dass ich ein bisschen schneller agiere, als es mein
Verstand gebietet. Ein plötzliches Türöffnen, wenn man sich auf
selber Höhe befindet, wäre dann schon mal eine Maßnahme, die
meiner momentanen Laune entspricht. Allerdings nur, wenn sie sich
ganz sicher ist. dass er der Super-Honk ist. Und wenn keiner guckt.
Die schönsten Geschichten schreibt das Leben und Du weißt diese zu formulieren😍
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