Sonntag, 6. November 2016

273. Akt

Yeah!!! Heute ist Herbstball und meine Freundin Anja hat Karten. Ich freu mich mächtig und bin schon lang in der heißen Phase der Outfit-Findung. Das blassrosa-cremefarben-Gestreifte ist eindeutig zu sommerlich, und für das helle Ballkleid mit den weiten Ärmeln bin ich schon viel zu weit fortgeschritten in Sachen Winterfigur. Es wird eines der schwarzen, langen Kleider. Schwarz streckt und ich kann noch rasch die Packung Dominosteine aus dem Auto leer machen.
Mit meiner Tochter komme ich vom Einkaufen. Sie brauchte ein Kostüm für eine Schulparty. Jetzt geht sie als Catwoman und ich würde sie dafür viel lieber in einem flauschigen Katzenkostüm sehen, als in engem schwarzen Bodysuit mit Röckchen. Na ja. Mein Einfluss in Sachen Kleidung ist irgendwo in der Pubertät verloren gegangen. Egal. Hauptsache sie hat Spaß. Jetzt steht sie jedenfalls vor der Tür und meint, dass die Klingel kaputt sei.
Ich erwidere, dass das eh wurscht sei. Wir stehen schließlich vor der Tür und ihr Bruder ist nicht Zuhause.
Okay, Klingel kaputt? Kein Problem. Ich checke kurz die Anlage und schaue dann im Keller. Aha, die Sicherung ist raus. Na, die krieg ich ja fix wieder rein. Denke ich. Aber falsch gedacht. Ständig springt der Schalter in die 0- Position. Was steht da am Rand? Die Sicherung ist für die Klingelanlage geschaltet? Und für die Hebeanlage? Aaaaaaargggghhhh!!!! Bei zwei unserer Nachbarn ist in den letzten Wochen die Hebeanlage verreckt. Bei einem von beiden stand im Anschluss der Keller unter Wasser. Mein Blick fällt panisch auf die Wände. Kann man schon einen feuchten Streifen erkennen? Dann fällt mein Blick auf mein Handy.
STEEEEEEEEFAAAAAAAAAAN!!!
Unser Nachbar ist Handwerker und kann eigentlich alles. Vermutlich reanimiert er in seiner Freizeit noch verunglücktes Wildtier an der Autobahn und rettet in der Mittagspause ganze Landstriche vor Flut, Feuer und schlimmen Seuchen. Wenn irgendwas im Haus nicht läuft wie es eben laufen sollte, oder eben dort läuft, wo nix laufen darf, ist Stefan immer aller erste Wahl.
Fünf Minuten später steht er mit Pumpe und seinem Assistenten vor der Tür. Sein Assistent heißt Jonas, ist sein Sohn und ist vier Jahre alt. Er trägt oft und gerne die Handwerkshosen, die auch sein Papa hat (allerdings in seiner eigenen Größe) und jetzt trägt er den Werkzeugkoffer.
Während sein Papa dafür sorgt, dass mein Keller nicht von Brackwasser geflutet wird, besteche ich Jonas mit zwei Plüschtieren. Der Kleine ist zum Knutschen, aber ich habe Sorge, dass er in das Loch fällt, in dem die Ersatzpumpe gerade arbeitet.
Die alte Pumpe ist am Schlick verreckt, sagt Stefan. Und Recht hat er wohl. In dem Loch sieht es aus, als hätte einer eine Kollekte aus allen Flusensieben sämtlicher Münchner Waschsalons gemacht und dort hinein entleert.
Das Gröbste ist erst Mal behoben. Die neue Pumpe kommt am Montag und ich habe die Wahl jetzt noch ein bisschen Schlick aus der Grube zu entfernen oder mich Ballfertig zu machen. Ich entschließe mich gegen die Pampe und für einen Moment der Ruhe auf dem Sofa.
In zehn Minuten steh ich dann mal auf und beginne mit der Grundsanierung in Sachen Make up. So ist der Plan.
Schon fünf Minuten später bin ich allerdings wieder auf den Beinen. Die defekte Pumpe, das Warten auf den Klempner und auch der Ball rücken zwei Stufen in den Hintergrund. Das mit dem Make up kann ich ebenfalls vergessen und die Kleider können zurück in den Schrank. Heute gibt es anderes zu tun. Manche Dinge sind eben wichtiger und da braucht es nur einen bequemen Pulli und eine einfache Jeans. Anja, der nächste Ball ist unser. Ganz sicher. Und dennoch, vielen Dank für die Einladung.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen