Mittwoch, 2. November 2016

269. Akt

Aaaaarghhhh... mit dem Alter lässt die Sicht nach. Manchmal ist es auch bloß die Aufmerksamkeit. Vor allem, wenn man am Vorabend mit seinem Team die Hotelbar ausprobiert hat.
Früh am morgen stehe ich unter der Dusche. Irgendwie muss ich wieder fit werden. Tochterkind trällert schon seit ein paar Minuten im Zimmer rum. Das Trällern fühlt sich wie eine Nagelfeile in meinen Gehirnwindungen an, aber sie ist fröhlich und es klingt gar nicht so schlecht, deswegen bitte ich sie nicht, damit aufzuhören. Fahrlässig sehe ich zu, dass der Griff zum Nassrasierer nicht zu Spuren führt, die man für einen missglückten Suizidversuch halten könnte.
Fertig geduscht passe ich auf, dass ich nicht über den Badewannenrand stolpere und den Kopf am Waschbecken aufschlage. Es ist zwar Halloween, aber wir machen hier keine Bilder mit Platzwunden und gebrochenen Rippen.
Ich taste neben dem Waschbecken nach meinem Deo. Wenn ich unterwegs bin, nehme ich fast immer nur die kleinen Reisegrößen mit. Einmal rechts und einmal links gesprüht. Einundzwanzig, zweiundzwanzig... ich bin schlagartig hellwach.
Unter meinen Armen fühlt es sich an, als ob jemand eine Testreihe für Bunsenbrenner durchführt. Außerdem klebt es wie die Hölle.
Ich taste erneut nach dem kleinen Deospray. Was ist da drinnen??? Es brennt teuflisch. Bei den Deos achte ich doch immer so sehr darauf, dass kein Alkohol und Aluminium enthalten ist. In diesem Deo scheint sich stattdessen quasi Salzsäure zu befinden. Also gefühlsmäßig auf jeden Fall.
Meine Pupillen versuchen sich auf die kleine Aufschrift zu justieren. Und da fällt es mir auf. Von Aluminiumsalzen und Alkohol steht da mal auf Anhieb nix. Aber von Deo ebenfalls nicht.
Die kleinen Reisesprays verlieren allein durch ihre Größe an Individualität. Und so habe ich mich gerade eben nicht mit sanftem Deo erfrischt, sondern mir eiskalt das schärfste Haarspray aller Zeiten in die frisch rasierten Achseln geballert.
Das Brennen hat mittlerweile aufgehört, aber das unangenehme Kleben ist geblieben. Ich kann´s ja nun nicht ausbürsten, wie es in der Werbung immer heißt. Mich in meinem Zustand erneut den Gefahren des Duschens in einer Badewanne auszusetzen, halte ich gerade für zu gefährlich, also greife ich nach dem Waschlappen.
Jetzt, wo ich die Arme auch wieder ohne eigenartige Geräusche vom Körper entfernen kann, nehme ich das kleine Deospray und gehe nach nebenan zu Tochterkind.
Ich bitte sie, mir die Aufschrift vorzulesen. Sie schaut mich an, als ob ich sie bitten würde, unten auf der Straße ein Pfund Marihuana zu kaufen.
Als sie mir bestätigt, dass es sich bei dem Spray um Deo handelt, wende ich mich ab und gehe zurück ins Bad. Während Tochterkind draußen weiter trällert, mache ich mich fertig. Tage wie diese werden in der Regel einfach immer nur besser. Also ein Dankeschön an das kleine Haarspray. Wach bin ich jetzt auf jeden Fall.

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