275. Akt
Heute
habe ich meinen Laptop abtreten müssen. Der von Tochterkind hat
rechtzeitig die Hufe hochgeschlagen und Kind 2.0 muss ihre
Seminararbeit nun unbedingt und dringlichst auf meinem Rechner
fertigstellen. Klar muss sie das. Morgen ist ja auch schon der
Abgabetermin und in den letzten sechs Monaten war einfach kein
Minütchen übrig, das Ganze vor (!) der zeitlichen Panikgrenze
hinzukriegen. Die Panikgrenze ist allerdings nur meinerseits
erreicht. Tochterkind tippt, sortiert und bebildert neben einer Tasse
Tee völlig entspannt ihre wissenschaftliche Arbeit. Neben Tee und an
meinem Laptop.
In der ersten Stunde vermisse
ich meinen Rechner nicht weiter. Pöh, ich kann meine Zeit ja auch
anders nutzen. Für die Gliederung des neuen Buchs brauch ich eh nur
verschiedenfarbige Karteikarten, Tesafilm und Wolle. Im Keller klebe
ich so vor mich rum und schaue, ob sich die einzelnen Episoden
aneinander fügen. Zwei Stunden später checke ich Tochterkinds
Fortschritt an meinem Rechner. "Das dauert noch." meint
sie. Und ich befürchte, sie hat Recht.
Nach weiteren zwei Stunden fühle
ich mich nackt. Hinter dem Bildschirm meines Rechners fühle ich mich
immer wohlgekleidet. Aber hier, hinter meinem spirreligen Handy,
fühle ich mich gänzlich unbedeckt.
Ich schaue nochmal nach. Es wird
wohl noch bis zum späten Abend gehen, meint sie. Und ich habe das
Gefühl, dass mein Rechner leise meinen Namen ruft.
Um kurz vor zwölf gehe ich ins
Bett. Kind 2.0 ruft mir noch nach, dass sie gleich fertig ist. Ich
fühle mich müde und spießig. Wenn sie es so spät in ihrem
Zeitfenster hinkriegt, dann muss ich mich doch nicht aufregen. Ist ja
ihre Arbeit und nicht meine. So denke ich und döse ein. Bis es an
der Tür klopft. Kind 2.0 freut sich, dass sie alles fertig hat.
Dann setzt sie sich mit ihrem
unschlagbaren "Du bist die allerbeste Mama der Welt"-
Lächeln an meine Seite.
"Es müsste nur nochmal
gegengelesen und ausgedruckt werden."
Wieder dieses entsetzlich süße
Lächeln. Von wem hat sie das bloß?
Ich setze mich auf. "Okay.
Bis wann muss es fertig sein?"
"Bis morgen früh um 7
Uhr."
Ich schiele auf den Wecker. Es
ist schon Dienstag. Sie meint also heute. Nach einem dankbaren
Knuddeln stehe ich auf und ziehe mir meinen Morgenmantel an.
"Ist wenigstens der Rechner
jetzt frei?"
"Klar Mama. Dankeschön.
Ich geh dann mal ins Bett."
Zack! Schon ist sie weg und ich
schlurfe die Treppe ins Wohnzimmer hinunter. Mein geliebter Laptop
leuchtet mir entgegen. Ich drucke die fast dreißig Seiten Text aus
und beginne mit dem Lesen.
Okay, ich bin müde und
eigentlich hätte ich ihr sagen müssen, dass sie mir so spät nicht
mehr mit einem Arbeitsauftrag kommen muss. Aber was soll's?
Ist halt mein Kind. und außerdem
fühle ich mich nachts im Bademantel an meinem Rechner gar nicht mehr
nackig. Also los geht's.
*hi hi*
AntwortenLöschenhab grade ein Déjà vu -
glaub mir, Du bist nicht die Einzige die das erlebt (hat).
Gruß
G.