Mittwoch, 20. April 2016

74. Akt

 Ich bin zum Essen eingeladen. Mongolisches Buffet. Eigentlich ganz cool. Ich mag Buffets. Man muss nicht lange warten, sondern kann einfach los latschen und sich bedienen, wonach es einem gelüstet. Dazu dann diese Mongolische Variante, bei der man sich verschiedene Fleisch- oder Fischsorten auf den Teller legt, oder eben Gemüse. Dann kommen noch die Gewürze dazu und eine von rund zehn verschiedenen Soßen. Das Ganze wird dann direkt vor meiner Nase zusammen gebrutzelt und auf den Tisch gestellt. Außerdem gibt es allerlei an Salaten und, falls dann noch was reinpasst, verschiedene Nachtische. Eigentlich immer ganz prima. Eigentlich.
Aber dann gibt es auch noch das Buffet-Fieber, das bei einigen ausbricht.
Während in irgendeiner Ecke ein Kindergeburtstag tobt, laden sich zwei Papas jenseits der „ja, ab jetzt nennt sich das Adipositas“-Grenze zwei Teller randvoll, während die Bedienung hinter ihnen vier halbvolle, aber nicht mehr erwünschte Teller vom Tisch räumt.
Direkt neben mir steht eine Mutter vorm Gemüse und macht den Eindruck, dass sie da auch noch ein Weilchen bleiben will. Aber nicht, um sich an den gesunden Sachen zu bedienen. Offensichtlich gibt es hier bloß gerade eine Lehrstunde.
„So Silas, schau mal. Das ist Brokkoli.“
Ich schau die Beiden an. Aber keiner reagiert.
Silas schaut kurz auf die grünen Bäumchen und entscheidet sich dann lieber dafür mit beiden Händen in die Pilze zu langen.
„Ja genau Silas, das sind Pilze.“
Silas ist etwa vier oder fünf Jahre alt, und ich überlege, wo die Hände heute schon alles gewesen sind.
„Und hier Silas, das sind Zwiebeln.“
Aber auch Zwiebeln sind nicht Silas Ding. Der kleine unsympathische Gemüsefetischist beginnt nun den Brokkoli in die Bohnen zu werfen.
Ich schaue beide etwas eindringlicher an.
Die Frau teilt die Freude am Gemüse mit ihrem Sohn und lässt ihn gewähren. Das was ich mit Silas und seiner Mutter nun gerne tun würde, ist leider verboten und strafbar.
Okay, Brokkoli, Pilze, Zwiebeln und Bohnen scheiden heute für mich aus. Als Silas auch noch über das gesamte Gemüse niest, reduziert sich das von mir gewünschte Essen schlagartig.
Das Einzige, was von seiner Mutter kommt ist ein „Gesundheit, mein Schatz.“ Und das auch noch mit Micky Mouse Stimme.
Eigentlich hab ich wohl doch keinen Hunger.
Dennoch ist es wohl an der Zeit Mutter und Sohn kurz anzusprechen. Und so weise ich darauf hin, dass es doch ziemlich unappetitlich sei, was da gerade passiere.
Okay, 10 Punkte auf der Liste der Majestätsbeleidigungen hab ich damit erreicht. Die Dame stellt sich über ihren Sohn und hält ihn an beiden Schultern, als ob ich ihm gerade verraten habe, dass seine Mutter die böse Fee von Dornröschen ist.
„Mein Sohn ist nicht unappetitlich!!!!“
Äh, ja. Die vier Ausrufezeichen hat sie quasi mit ausgesprochen.
Ich könnte sie jetzt noch fragen, ob es ihr ebenso recht wäre, wenn ich ihre Cola mit dem Zeigefinger von der Kohlensäure befreie, aber ich lass es. Hat ja doch keinen Sinn. Meine Chance ergibt sich an ganz anderer Stelle. Ich bin bereit zum Verlassen des Lokals und schon in Mantel und Mütze, als ich Silas am Dessertbuffet sehe. Er steht vor der Mousse au Chocolat und schaufelt sich selbige direkt vor Ort von der Schüssel in den Mund.
Ich beuge mich kurz runter.
„Du Silas, weißt du was das ist?“
Er schaut mich ein wenig dumb an. Er kriegt schon fast den dreisten Gesichtsausdruck seiner Mutter hin.
„Silas, das ist Katzenkacke!“

Silas wechselt die Farbe und rennt zu seiner Mutter. Ich verlasse das Lokal. Künftig dann doch wieder á la carte. Oder ich warte bis Silas groß ist und schmeiß ihm dann mal im Vorbeigehen ein benutztes Tempotaschentuch auf den Teller. Ja, ich sollte das nicht völlig aus den Augen verlieren.

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