73. Akt
Wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es, wenn mein Körper
mir entgegenbrüllt: „Hey, du bist keine 20 mehr!“
So was kann man dann geraume Zeit ignorieren. Dann lenkt man sich mit
der Jagd auf DHL-Boten ab und Senioren, die einem erklären, dass man
gerade Grünglas in den Braunglas-Container geschmissen hat. Und dann
kommt der Moment der roten Karte und man schmeißt völlig
unkontrolliert die Hufe hoch und landet in der Kardiologie.
Da sitze ich dann und warte auf EKG, Echo und das ganze Gedöns.
Wieder mal. Mittlerweile sperren sich die Schwestern schon auf dem
Klo ein, um mir nicht Blut abnehmen zu müssen. Klitzekleine
Rollvenen sorgen für Verzweiflung und Tränen am anderen Ende der
Nadel. Nicht bei mir. In solchen Fällen ist das „Kaktus-Gefühl“
geradezu gewohnt.
Das wirklich Interessante in solchen Momenten sind die Wartezeiten
vor der Rezeption. Es gibt einfach Begriffe, die kann man nicht
miteinander verbinden. In diesem Fall ist es der Begriff „Arztpraxis“
mit dem Wort „Datenschutz“. Alle, die heute mit mir auf
Ergebnisse, Befunde, den Notarztwagen oder einen Abholer gewartet
haben, wissen nunmehr, dass Frau H. ständig simuliert, Herr F. so
schwer ist, dass man sich Sorgen um die Liege macht und das Schwester
Claudia ihre Tage hat. Im Fall der anwesenden Patienten wurden die
Namen allerdings vollständig ausgesprochen. Zusätzlich wurden
telefonisch Termine für Dinge ausgemacht, die so mancher Patient
lieber für sich behalten hätte und ich weiß jetzt, dass eine
Bekannte von mir ganze zehn Jahre älter ist, als sie zugibt. Nicht
dass es mir wichtig wäre, aber ihr wäre es sicherlich wichtig
gewesen. Also, dass man das nicht so laut abfragt und wiederholt.
Als ich dann meine Ergebnisse kriege, bin ich versucht zu fragen, ob
noch jemand Infos über mich braucht oder ob ich jetzt gehen kann.
Ich lass es dann aber doch.
Alles in allem ist alles okay. Ich soll ein bisschen kürzer treten.
Mach ich dann auch mal. Morgen. Oder nächste Woche. Oder 2020.
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