59. Akt
Manche Dinge gehe ich per se zeitlich völlig falsch an. Nicht, dass
ich das so will. Es ist nur, dass bei mir die Logik bisweilen nicht
an erster Stelle steht. Heute zum Beispiel habe ich einen Termin.
Kein Problem. Hab ich ständig. Also mache ich Sport, gehe duschen,
mal mich fröhlich an und ziehe mir meine Lieblingsjeans und einen
meiner Lieblingspullis an. Ich habe noch Zeit. Reicht dicke noch für
einen Kaffee und ein paar wirre Gedanken. Mit der Tasse Kaffee in der
Hand fällt mir ein, dass ich schon längst die großen Blumentöpfe
vor dem Haus neu bepflanzen wollte. Zu jämmerlich sehen die beiden
Bäumchen aus, die bereits vor dem Winter das Zeitliche gesegnet
haben. Es sollen jetzt zwei Buchskugeln dort eingepflanzt werden. Und
gekauft hab ich die auch schon. Eigentlich kein großer Akt. Alte
Bäumchen raus, Erde etwas aufbereiten, Hornspäne und Deko-Kies zum
Abschluss. Ja – manchmal bin ich ganz hübsch spießig.
Ich kann mir ja schon mal alles, was ich brauche, bereit stellen. Nur
hinstellen, sonst nix. Also hole ich Schaufel, die Tüte mit den
Hornspänen, den Deko-Kies und die Buchskugeln schon mal vors Haus.
Eigentlich Blödsinn, jetzt nicht schon mal alles soweit
vorzubereiten, dass ich nachher nur noch eintopfen muss.
Also mit der kleinen Schaufel die Wurzeln der toten Bäumchen lösen
und die Stämme entfernen. Dummerweise kommt mit dem Wurzelballen
auch gleich ein Schwung Erde heraus. Über meine Hose. Und meine
Schuhe.
Egal. Das bisschen Dreck lässt sich nachher einfach runterklopfen.
Ich schaue auf meine Uhr. Ich hab immer noch Zeit. Schön, schön.
Den Gedanken, ob ich meine Gartenhandschuhe holen soll, verwerfe ich.
Ich will ja hier gar nicht so großartig rummachen. Nur noch schnell
testen, ob der Buchs schon in die Töpfe passt. Ich stelle fest, dass
ich hierfür noch etwas Erde entfernen muss. Kein Problem. Ich bin ja
nicht aus Zucker. Also mit beiden Händen kurz ein paar Liter Erde
aus dem Topf geschaufelt.
Ja, jetzt passt es. Mittlerweile spüre ich etwas von dem
verschütteten Humus bereits zwischen meinen Zehen. Okay, die Schuhe
muss ich nachher ausschütten. Oder ich ziehe gleich andere an.
Der Sack mit den Hornspänen hat ein ganz schönes Gewicht. Ich komme
ins Schwitzen, als ich ihn hochhebe und das Zeug in den Töpfen
verteile. Außerdem bemerke ich, dass auch mein Pulli bereits
unter der Aktion gelitten hat. Ich werde gleich einen anderen
anziehen.
Eigentlich wollte ich ja nur mal schauen, aber plötzlich stelle ich
fest, dass ich nur noch den Deko-Kies auf der Erde verteilen und den
Gehweg fegen muss, um das Werk zu vollenden. Gedacht, getan.
Ich habe nun noch gute zehn Minuten denke ich mir. Dann schaue ich an
mir herab. Okay, es wird dann doch stressig. Hoch, kurz abduschen,
Make up völlig vernachlässigen, schwarze Ränder unter den Nägeln
ausbürsten und neue Klamotten anziehen. Als ich dann hektisch in den
Wagen springe, stelle ich fest, dass in einem der Töpfe immer noch
etwas Deko-Kies fehlt. Eigentlich könnte ich noch... Aber nein!
Jetzt langt´s.
Ich fahre aus unserer Straße und betrachte im Rückspiegel meine
neue Bepflanzung. Mit dem fröhlichen
Jippieyeahyeah-jippieh-jippieh-yeah aus der Hornbach-Werbung biege
ich um die Ecke. Ja! Es gibt immer was zu tun. Ich liebe es.
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