Mittwoch, 13. April 2016

67. Akt 

„Nur zwei, drei Rittersporn.“
Meine Mutter schaut mich mit großen Augen an. Sie will, dass ich ihr glaube. Aber irgendwie hat sie mich damit schon ziemlich häufig ausgetrickst.
„Ehrlich. Da fehlt nicht viel. Rittersporn vielleicht. Und höchstens noch ein Bodendecker für das Beet hinter der Hütte.“
Na, na, na... da hat der Rittersporn aber gleich mal Zuwachs gekriegt. Aber sie schaut mich so ehrlich an, und der Garten sieht auch nicht wirklich wie ein florales Nudisten-Camp aus.
Ich zögere. 
„Na, nu komm schon.“ Oha, das Sächsisch bricht durch . Es ist also ein blümeranter Notfall. Ich gebe mein „Okay“ und der Ausflug in die Baywa ist geritzt.
Gleich vorab. Meine Mutter hat nicht nur den klassischen grünen Daumen. Sie hat auch noch jede Ausgabe von „Mein schöner Garten“ , „Garden Style“ und „Florieren“ quasi inhaliert.
Ich fahre den Wagen aus der Garage und höre noch, wie sie meinen Sohn bittet, uns zu begleiten.
Hmpf!!! Das heißt, sie braucht noch jemanden, der etwas tragen kann, was das Gewicht von ein, zwei Topfpflanzen überschreitet.
Vermutlich einen 70 Liter Sack Erde oder Rindenmulch.
Der Rittersporn wird wohl nicht so einsam bleiben.
In der Baywa angekommen ignoriert meine Mutter, dass ich schon einen Einkaufskorb am Arm hängen habe. Sie greift nach einem Einkaufswagen. Einem großen.
Im Außenpflanzen-Areal lässt sie ihr „Oma-braucht-Hilfe“ Attitüde schlagartig fallen. Leichtfüßig wie eine Elfe turnt sie zwischen Thujen und Buchs. Zwischen Stauden und Bodendeckern. Sie hält Töpfe in die Luft und ihr Blick sagt klipp und klar „Genau das brauchst du!!!“
Ich verzichte auf Gegenwehr. Ich habe es mal probiert. Die Strafe war Rasen-Nachsaat und ein Vertikutierer. 
Sie will Pflanzen. Sie kriegt Pflanzen.
Es hat keinen Sinn, zu sagen, dass ich mein Portemonnaie Zuhause vergessen habe. Wäre kein Problem für sie. Sie würde mich nach Hause schicken, um es zu holen und wenn ich zurück käme hätte sie sich mit dem gesamten Baumarktpersonal fraternisiert. Ein Wagen voller Büsche, Blumen und Kräuter würde auf mich warten.
Ich gebe also klein bei und hoffe, dass sie Hunger kriegt oder auf´s Klo muss.
Eine gute dreiviertel Stunde später sitze ich am Steuer. Mutti räumt allerlei Grünzeug in den Kofferraum, während mein Sohn zwei Sack Pflanzenerde in das Auto hievt. Wenn er sie nicht so gerne hätte, würde er mich bitten, sie in der Nähe des Friedhofes auszusetzen. Sie könnte ja schon mal dort warten.
Na ja, Pflanzen gibt es da ja auch genug. Aber da wo meine Mutter ist, ist immer ziemlich viel los. Und dort ist sie dann wirklich nicht so richtig aufgehoben. Noch lange nicht.



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