64. Akt
Wenn ich wirklich effektiv an meinen Büchern schreiben will, gehe
ich in ein Café in der Stadt. Zuhause fällt mir zwischen zwei
Absätzen zu oft ein, dass ich noch schnell bügeln, einkaufen, Rasen
mähen oder Blumen gießen muss. Oder eines von den Kindern steht
verzweifelt vor dem Kühlschrank oder sucht seine Socken.
Früher bin ich meistens ins Café Reitschule gegangen. Da kann man
prima schreiben. Und wenn einem nix mehr einfällt, dann schaut man
halt ein bisschen den Pferden zu und schon geht’s weiter.
Seitdem mich dort aber eine Gruppe Latte Macchiato-Mütter mit ihren
Zweijährigen quasi überfallen hat, bin ich etwas vorsichtiger.
Es waren nicht die Kinder, die mich gestört haben. Die waren
niedlich und lebhaft. Es war vielmehr die Tatsache, dass es für die
Mütter völlig in Ordnung war, dass ihr Nachwuchs fröhlich auf
meinem Computer rumhämmerte, als ich vom Klo kam. Es war für sie
wiederum nicht in Ordnung, dass ich das ziemlich verstörend fand.
Hallo?? Mein Rechner stand auf dem Tisch am Fenster. Er stand nicht
im Buggy von Helena oder Korbinian. Respekt kann man schon in der
Krabbelgruppe lernen. Als einer von den Rangen dann unbemerkt seinen
Brei in die Louis Vuitton Handtasche einer Mutter kotzte, war ich
halbwegs versöhnt.
Dieses Mal sitze ich also in einem anderen Café. Es läuft und
schreibt sich prima. Eine Dame in Pelz setzt sich an den Nebentisch.
Wir nicken uns kurz zu. Sie lässt mich arbeiten. Ich lasse sie mit
ihrem Schampus in Ruhe. Alles Bestens.
Etwa zehn Minuten später kommt eine zweite Frau hereingestürmt.
Hektisch. Bestens frisiert, erlesen gekleidet. Echt schnieke. Sie
verhält sich, als sei sie einem Nervenzusammenbruch nahe, und ich
überlege, ob ich mir Sorgen machen muss. Sie bestellt einen
Champagner und einen Cappuccino und legt los.
Ehrlich. Ich will ja gar nicht lauschen. Aber sie spricht, als muss
sie einem Halbtauben in einer Bahnhofshalle den Weg erklären.
Ich traue meinen Ohren nicht, als sie ihrer Freundin von ihrem
Problem berichtet. Sie muss – und ich probiere nicht zu
hyperventilieren – einen Urlaub in die Karibik vorbereiten. Sie
fliegt auf die Bahamas und ist fix und fertig.
Ich bestelle mir einen weiteren Kaffee. Schreiben ist Essig. Ich muss
jetzt doch erst mal zuhören.
Sie heißt offensichtlich Petra und ist am Ende.
Nein! Sie muss nicht persönlich in die Karibik rudern. Sie muss
diesen dämlichen Urlaub noch nicht mal selber buchen. Sie muss quasi
nur ihre Termine beim Friseur und beim Nagelstudio mit den Einkäufen
von Strandklamotten koordinieren.
Auf die Frage, ob sie denn wenigstens ordentlich fliege, lacht sie
bloß. „Natürlich Business Class! Was glaubst du denn? Sonst hätte
Klaus mich doch nie im Leben mitnehmen dürfen.“
Ich frage mich, ob dem Mann ein Urlaub ohne seine Frau nicht viel
besser getan hätte.
Ich bin kein neidischer Mensch. Ich freue mich, wenn sich andere
Menschen freuen. Aber wenn jemand jammert, weil ihn die
Reisevorbereitungen für einen Bahamas-Trip stressen, dann möchte
ich doch gerne... ähem...helfend eingreifen. Zumindest würde ich
sie ganz gerne im Genick packen und ihre begradigte Nase in den
Cappuccino tunken.
Ich glaube, für einen Bahamas Urlaub dieser Art würde ich ziemlich
verbotene Dinge tun. Mein Urlaubs-Defizit bricht in den letzten
Monaten regelmäßig durch.
Früher bin ich allein beruflich regelmäßig weit weg gewesen.
Katalog-Shooting in Miami, Editorial in Barbados. Schön war´s.
Heute scheitert es schon daran, dass ich bei Langstrecke entweder ein
Kreislaufproblem vortäuschen muss, um ausgestreckt ein wenig im Gang
zu schlafen oder eben drei Tage brauche, um wieder aufrecht gehen zu
können. Für alles über Economy muss man schon sehr, sehr viele
Bücher verkaufen.
Petra neben mir fliegt also Business auf die Bahamas und hat damit
ein Problem. Ich überlege, ob ich ihre Organe an irgendwelche
dubiosen Händler verkaufen kann und mit den Kids nach Jamaica jette.
Aber vom Knast aus wird es dann wohl schwierig.
Ja, ich weiß. Das ist Jammern auf hohem Niveau. Aber ich jammer ja
sonst über nix.
Also trinke ich aus, klappe meinen Rechner zu und würdige die beiden
keines Blickes mehr. Petras Problemzone ist im Kopf. Eindeutig.
Auf dem Rückweg gehe ich an einem Reisebüro vorbei und hole mir
zwei Kataloge. Bahamas, Hawaii, Jamaica. Und heute Abend sitze ich
dann mit Tochterkind auf dem Sofa und träume.
Wobei sie gar nicht davon träumen muss. Sie fährt dieses Jahr mit
ihrem Vater nach Mauritius. Sie freut sich riesig und ich mich mit
ihr. Ich mache einen Umweg und kaufe ihr noch einen Bikini.
Wenigstens ein klitzekleines bisschen Urlaubsfeeling löst das auch
bei mir aus.
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