Samstag, 16. April 2016

70. Akt

Es gibt ja allerlei, was unter dem Begriff Business-Treffen veranstaltet wird. Manches hat tatsächlich mit Geschäft zu tun, anderes wiederum wirkt eher wie ein Speed-Dating von Anzug- und Kostümträgern.
Ich bin also dazu eingeladen. Business-Treffen in edlem Hotelbar-Ambiente.
Na super! Manchmal rüsch´ ich mich ganz gerne zum Ausgehen auf, und manchmal zwing ich mich zu solchen Events. Aber ich bin noch viel zu unbekannt, als dass ich mich zur Ruhe setzen könnte.
Um - vom regen Absatz meiner Literatur gelangweilt - Geldscheine aus dem Fenster zu schmeißen, bin ich zu ambitionsschwach. Und davon, jeden Tag die Chippendales bei meiner Mutter zum Putzen anrücken zu lassen, bin ich wirtschaftlich noch weit entfernt.
Also, geh ich da mal hin. Vielleicht trifft sich ja ein Investor, der sein Haus mit zwei Lagen „33 Grausamkeiten“, „Der Fall A.“ oder anderen Werken aus meiner Feder isolieren will.
Hätte ich kein Problem mit. Würde sogar einen Mengenrabatt ausdealen.
Und da steh ich nun. Inmitten vieler sehr wichtiger Leute, in sehr feiner Kleidung, mit sehr großem Selbstbewusstsein. Und die, die nicht auf Anhieb Selbstbewusst sind, brauchen bestenfalls die Zeit von zwei Glas Wein, um sich ganz toll zu finden.
Innerhalb kürzester Zeit hält man mich 1 x für ein Mitglied der Geschäftsführung, 1 x für eine Designerin, 2 x für eine Dozentin aus dem Management-Team, 1 x für jemanden von der Landesbank und 1 x für die Kellnerin.
Um hier ein Spaß zu haben müsste ich mich quer durch die Cocktailkarte arbeiten. Das wiederum würde sich finanziell und kalorientechnisch ausgesprochen ungünstig auf mein derzeitiges Leben auswirken, und angesichts der bereits absolvierten und noch anstehenden Gespräche nicht wirklich lohnen.
Es bleibt also – so wie die Pinguine in dem Film Madagaskar – nur eines. Lächeln und winken.
Und hier verschwinden.
Behutsam seile ich mich – lächelnd und winkend – nach vorne ab. Kaum ums Eck hole ich meine Jacke und überlege, was zu tun ist.
Die Hotelbar im vorderen Bereich ist auch keine Option. Dort zu sitzen und sich bei einem Glas Apfelschorle auszuruhen, würde nur ein weiteres Lager auf den Plan rufen. Und nach dumpfbackigem Angebandel irgendwelcher Messebesucher steht mir nun am allerwenigsten der Sinn.
Dann setze ich mich eben ins Auto. Hier kann ich viel besser überlegen.
Hin und wieder sehe ich, wie ein weiterer Gast des super-mega-wahnsinns- wichtigen Business-Treffen sich von dannen schleicht. Mein Verständnis haben sie.
Und dann fällt es mir ein. Ich hab Hunger. Und wenn ich schon mal in der Stadt bin, kann ich mich ja, von Kind und Kegel unbeobachtet, in die beste Curry-Wurst-Bude der Stadt schleichen. Einmal Pommes-Rot-Weiß mit Currywurst extra scharf. Yo! Genau das brauch ich jetzt.
Zehn Minuten später stehe ich am Tresen und leiere mit glänzendem Blick meine Bestellung runter.
Mit dem kleinen Tablett in der Hand suche ich mir einen Platz.
Mich trifft fast der Schlag. Mindestens acht (!) der Gäste von dem vorherigen Event hängen hier über Bratwurst und Pommes.
Alle schauen ein kleines bisschen schuldbewusst.


 Ich auch. Aber schmecken lass ich es mir dann trotzdem.

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