70. Akt
Es gibt ja allerlei, was unter dem Begriff Business-Treffen
veranstaltet wird. Manches hat tatsächlich mit Geschäft zu tun,
anderes wiederum wirkt eher wie ein Speed-Dating von Anzug- und
Kostümträgern.
Ich bin also dazu eingeladen. Business-Treffen in edlem
Hotelbar-Ambiente.
Na super! Manchmal rüsch´ ich mich ganz gerne zum Ausgehen auf,
und manchmal zwing ich mich zu solchen Events. Aber ich bin noch
viel zu unbekannt, als dass ich mich zur Ruhe setzen könnte.
Um - vom regen Absatz meiner Literatur gelangweilt - Geldscheine aus
dem Fenster zu schmeißen, bin ich zu ambitionsschwach. Und davon,
jeden Tag die Chippendales bei meiner Mutter zum Putzen anrücken
zu lassen, bin ich wirtschaftlich noch weit entfernt.
Also, geh ich da mal hin. Vielleicht trifft sich ja ein Investor, der sein Haus mit zwei Lagen „33 Grausamkeiten“,
„Der Fall A.“ oder anderen Werken aus meiner Feder isolieren
will.
Hätte ich kein Problem mit. Würde sogar einen Mengenrabatt
ausdealen.
Und da steh ich nun. Inmitten vieler sehr wichtiger Leute, in sehr feiner Kleidung, mit sehr großem Selbstbewusstsein. Und die, die
nicht auf Anhieb Selbstbewusst sind, brauchen bestenfalls die Zeit
von zwei Glas Wein, um sich ganz toll zu finden.
Innerhalb kürzester Zeit hält man mich 1 x für ein Mitglied der
Geschäftsführung, 1 x für eine Designerin, 2 x für eine Dozentin
aus dem Management-Team, 1 x für jemanden von der Landesbank und 1 x
für die Kellnerin.
Um hier ein Spaß zu haben müsste ich mich quer durch die
Cocktailkarte arbeiten. Das wiederum würde sich finanziell und
kalorientechnisch ausgesprochen ungünstig auf mein derzeitiges Leben
auswirken, und angesichts der bereits absolvierten und noch
anstehenden Gespräche nicht wirklich lohnen.
Es bleibt also – so wie die Pinguine in dem Film Madagaskar – nur
eines. Lächeln und winken.
Und hier verschwinden.
Behutsam seile ich mich – lächelnd und winkend – nach vorne ab.
Kaum ums Eck hole ich meine Jacke und überlege, was zu tun ist.
Die Hotelbar im vorderen Bereich ist auch keine Option. Dort zu
sitzen und sich bei einem Glas Apfelschorle auszuruhen, würde nur
ein weiteres Lager auf den Plan rufen. Und nach dumpfbackigem
Angebandel irgendwelcher Messebesucher steht mir nun am
allerwenigsten der Sinn.
Dann setze ich mich eben ins Auto. Hier kann ich viel besser überlegen.
Hin und wieder sehe ich, wie ein weiterer Gast des
super-mega-wahnsinns- wichtigen Business-Treffen sich von dannen
schleicht. Mein Verständnis haben sie.
Und dann fällt es mir ein. Ich hab Hunger. Und wenn ich schon mal in
der Stadt bin, kann ich mich ja, von Kind und Kegel unbeobachtet, in
die beste Curry-Wurst-Bude der Stadt schleichen. Einmal
Pommes-Rot-Weiß mit Currywurst extra scharf. Yo! Genau das brauch
ich jetzt.
Zehn Minuten später stehe ich am Tresen und leiere mit glänzendem
Blick meine Bestellung runter.
Mit dem kleinen Tablett in der Hand suche ich mir einen Platz.
Mich trifft fast der Schlag. Mindestens acht (!) der Gäste von dem
vorherigen Event hängen hier über Bratwurst und Pommes.
Alle schauen ein kleines bisschen schuldbewusst.
Ich auch. Aber schmecken lass ich es mir dann trotzdem.
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