Sonntag, 17. April 2016

71. Akt

Eine Freundin postet bei Facebook eine Frage. Schlicht und ergreifend. Sie lautet: “Ich ziehe um und soll eine Küche ablösen, die vor einem Jahr eingebaut wurde. Damals hat sie rund 8000,- Euro gekostet. Was würdet ihr dafür noch zahlen?“
Eigentlich kein großes Ding. Man schreibt eine Zahl und bestenfalls noch eine kurze Begründung.
Aber es zeichnet sich schon nach wenigen Minuten eine klare „ich muss meinen Senf nun wirklich zu Allem abgeben“-Tendenz ab.
Während die ersten vier Kommentatoren Zahlen zwischen 3500,- und 6000,- Euro nennen. Schreibt schon der fünfte einen Kommentar, in dem die deutsche Wegwerfgesellschaft heftig angegriffen wird. Eine richtige Abhandlung.
Nummer sechs schreibt, dass die Frage eigentlich recht einfach zu verstehen war. Es wurde um Rat gefragt.
Der siebte Kommentator schießt dann vorerst den Vogel ab.
Wütend wird berichtet, dass ein Moped mit einer Laufleistung von 30.000 km auf Bali immer noch zwei Drittel seines Neupreises wert sei.
Worauf ihm mitgeteilt wird, dass ein balinesisches Moped nur wenig mit einer Münchner Küche gemein habe.
Als der Nächste sich über die mangelhafte Qualität von asiatischen Küchengeräten auslässt, bricht ein fulminanter Streit aus. Und an dieser Stelle steige ich dann aus. Thema verfehlt, setzen! 6!
Ähnliches habe ich vor einiger Zeit auch in einem anderen Lager erlebt.
Meine Nachbarin brachte mir eine vegane Pizza. Es sah zwar nicht zwingend aus, wie das, was ich als Pizza kannte, aber es schmeckte köstlich. Also postete ich ganz begeistert: „Meine erste vegane Pizza. Schmeckt spitze. Vielen Dank Marlene.“
Das Ergebnis war eine Grundsatzdiskussion unter Beteiligung vierer Gruppen. Die kleinste Gruppe waren die, die meinten, ich solle es mir schmecken lassen und mir nett und unverbindlich über ihre Ausflüge ins vegane Lager berichteten. Gruppe 2 waren die Vegetarier, die mich freudig in ihrer Mitte begrüßten. Gruppe 3 waren die Hardcore-Veganer, die mir unter die Nase rieben, dass mich der Verzehr einer veganen Pizza noch lange nicht zu einem guten Menschen mache. Und Gruppe 4 waren die Carnivoren, die sich gar nicht mehr einkriegen konnten, ein gutes Steak als unersetzbar zu feiern.
Und alles nur, weil ich das Foto einer veganen Pizza gepostet habe.
Und nein. So was passiert nicht nur bei Facebook.
Das passiert beim Tengelmann in der Fertiggerichteabteilung, am Altglascontainer, auf dem Schulhof und an der Tankstelle. Überall, wo man Menschen die Möglichkeit gibt, eine Meinung zu äußern, wird sich einer finden, der die Frage nicht verstanden hat. Und der fühlt sich dann berufen in geradezu orgiastischer Manier tief hinab in den persönlichen Keller seiner Grundsätze und Prinzipien zu steigen. Von dort aus wirft er einem dann alles um die Ohren, was man schon lange nicht wissen wollte.
Und das, obwohl ein banales „Ja“, „Nein“, „Gut“, „Schlecht“ oder „keine Ahnung“ völlig ausgereicht hätte.


 Ach ja, die Küche. Ich würde mit 4.800,- einsteigen und mich bis 5.300,- Euro hoch handeln lassen. Fertig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen