58. Akt
Okay, wer Geschichten schreibt, die „33 Grausamkeiten“ heißen,
muss ja schon mal eine etwas... ähem... andere Prägung haben.
Selbiges wird mir heute wieder bewusst, als ich mit Mutter,
Schwester, Kindern und Kinderanhang beim Grillen im Garten meiner
kleinen Schwester sitze. Die Gruppe setzt sich aus extrem Carnivoren,
Normal-Essern und toleranten Veganern zusammen und lustig ist´s.
Als das letzte Steak und der vorletzte Maiskolben verspeist sind,
frage ich, ob jemand eine Idee für mein neues Buch hat. Es ist die
Fortsetzung von „33 Grausamkeiten“ und wird keinen Deut netter.
Die Frage war fahrlässig und entpuppt sich anfangs als mittelgroßer
Fehler. Die Kreativität meiner Familie ist nicht zu unterschätzen.
Mein Neffe und seine Freundin versuchen hartnäckig Berufsgruppen ins
Spiel zu bringen, die ich entweder schon im ersten Teil verwurstet
habe oder die schlichtweg zu nett sind. Mein Sohn hingegen probiert
mich von den Grausamkeiten der Internetkriminalität zu überzeugen,
während meine Mutter immer wieder einwirft, dass ich was über
Minzbonbons und Salatgurken schreiben soll. Meine Schwester und ich
schauen uns an, und wir fragen uns, ob meine Mutter in einem
unbeobachteten Moment zuviel Amaretto über ihr Eis gekippt hat. Als
meine Tochter meint, ich könnte eine Geschichte über Dominas
schreiben, bleibt mir kurz rückwirkend ein Maiskolben im Hals
stecken. Meine jüngste Nichte ruft angesichts der Einwürfe ihrer
Oma nur noch „Gurkensalat“ und ich komme nicht wirklich weiter.
Meine Tochter bringt es auf den Punkt. „Wir sind schon ein kranker
Haufen.“ Wir lachen. Alle. Außer der Nachbar. Der hat sich schon
lange von seinem Liegestuhl zurückgezogen. Vermutlich setzt er
gerade seine Haus als Inserat bei Immoscout ein. Zu eigenartig ist
das, was da aus dem Nachbargarten kommt. Kurz bevor wir gehen kommt das nachmittägliche Brainstorming zu
verwendbaren Ergebnissen. Alle nennen Begriffe, zu denen mir gleich
ein paar widerwärtige, niederschreibbare Geschichten einfallen. Das
wird ja mal ein arbeitsamer Abend. Und morgen setze ich mich dann
wieder in ein Münchner Café und fange an, alle Unsäglichkeiten,
mit denen ich gestern befeuert wurde zu Papier zu bringen. Und wenn
alles fertig ist, schmeiß ich dem Nachbarn meiner Schwester eines
der Bücher in den Briefkasten. Entweder versteht er dann, dass alles
nur der Kunst diente oder es gibt ein günstiges Haus neben meiner
Schwester zu erwerben.
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