236. Akt
Was
heißt verflixt nochmal auf chinesisch: „Hören Sie bitte auf, an
ihren Zehennägeln herumzupulen?“
Ach
nee. Ich bin wirklich nicht zickig im Umgang mit meinen Mitmenschen,
aber bisweilen trifft es einen schon etwas unangenehm. Und dann auch
gerne an Orten, bei denen die Fluchtmöglichkeiten exorbitant
eingeschränkt sind.
Bei
meinem letzten Flug nach Italien war alles nur halb so schlimm. Ich
saß wie fast immer am Fenster, und neben mir platzierten sich zwei
junge Mädchen. Sie waren vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre
alt, fröhlich und recht angenehm in der Ansicht. Hinter unserer
Reihe saßen nochmal drei Mädchen dieser Art. Es hätten Lisa,
Lotta, Lena, Laura und Waltraud vom Ponyhof sein können. Waren sie
vielleicht auch. Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, dass –
nennen wir sie mal Lisa - neben mir über den gewalttätigsten
Pferdeschwanz in der Geschichte der Ponyhof-Mädchen verfügte. Wann
immer sie sich zu den anderen nach hinten drehte, flog mir dann auch
selbiger ins Gesicht. Nicht schlimm. Eigentlich. Aber nach dem
zehnten Mal mit Haaren im Gesicht und einem entzückenden „Oh,
sorry.“ ihrerseits, begann ich von Scheren zu fantasieren.
Hallo?
Ich habe ja selber hin und wieder einen Pferdeschwanz! Meiner verhält
sich aber nicht annähernd so aggressiv oder aufdringlich wie der von
„Lisa“. Kaum kam eine Ansprache von hinten oder links. Zack!
hatte ich den Wedel wieder im Gesicht. Als mir das Ding dann auch
noch in den Kaffee flog, überlegte ich, ob ich den Damen nicht
erklären sollte, wie hip Kurzhaarfrisuren für angehende Twens
seien. Aber was soll´s? Ich lehnte mich so weit es ging nach rechts
und bekam so immer nur noch ein paar Haarspitzen ins Ohr. Okay, das
war auszuhalten. Künftig nur noch neben Pixie- oder
Bob-Trägerinnen setzen, kam auf
meine imaginäre „Ich fliege irgendwohin“-Liste.
Jetzt,
auf dem Rückflug bin ich beruhigt. Neben mir sitzen zwei
Chinesinnen älteren Kalibers. Klein, Brille und – ja! Kurze Haare.
Ich
lehne meinen Kopf entspannt ans Fenster und döse ein. Als ich aus
meinem Nickerchen erwache, fällt mir die Kinnlade herunter. Auf
meiner linken Armstütze befindet sich ein nackter, linker,
chinesischer Fuß.
Ich
wende meinen Kopf ruckartig nach rechts. Dann wieder mit verblüfftem
Blick nach links. Wahrscheinlich ist meine Verblüffung schlichtweg
zu sehr europäischer Natur, denn die Besitzerin des Fußes schaut
mich nur kurz und verständnislos an und setzt ihr Nagelpflege
ungehemmt fort.
Was
soll ich sagen? „Hui, für ihr Alter sind sie aber noch gelenkig.
Ich fände es aber trotzdem nett, wenn sie ein bisschen Platz
zwischen ihrer schrundigen Hornhaut und meinem Ellbogen lassen.“?
Die
Dame unterhält sich mit ihrer Freundin linker Hand. Ich linse rüber.
Die hat wenigstens noch beide Schuhe an. Was nun? Den Text auf den
Kotztüten auswendig lernen, bis man mal reinschaut, ob da auch noch
was drinnen steht? Ich schwitze und wünsche mir meine
Ponyhof-Mädchen mit den fliegenden Pferdeschwänzen zurück.
Die
Gänsehaut auf meinem Körper schafft noch nicht ausreichend Abstand
zwischen Fuß und mir, aber viel weiter nach rechts kann ich mich
nicht lehnen. Irgendwann wird der Fuß wieder eingepackt. Dass ich
jeglichen Kontakt mit der Armlehne meide, ist sicherlich
verständlich.
Wie
lang soll die Liste meiner imaginären präferierten oder zu
meidenden Mitflieger denn noch werden? Gehe ich künftig direkt ins
Cockpit und sage, ich fliege nur noch da mit? Und was, wenn die
Piloten langhaarige, bezopfte, barfüßige Asiaten sind? Nur noch
Zugfahren? Ist doch keine echte Alternative auf Langstrecken. Aber es
hätte ja noch schlimmer kommen können. Was wenn die Dame ihre
Körperpflege noch um eine Rasur ihrer Achseln oder einem
umfangreichen Zahnpflegeprogramm erweitert hätte? Eben!
Das wäre weitaus entsetzlicher gewesen. Also bitteschön...
Das wäre weitaus entsetzlicher gewesen. Also bitteschön...
Und ich habe bisher geglaubt, das Mitführen von Messern und Scheren im Handgepäck sei wegen möglicher Entführungsphantasien verboten... Beim Lesen ging sofort mein Kopfkino an - Schere raus und Zack dem Ponyhofmädchen einen modischen Bob verpasst.... und der kleinen Chinalady ein schönes grosses blitzendes Messer mit einer Schälbewegungen an Ihre Kartoffelhornhaxen gehalten....so wie manche Menschen nur auf Piktogramme reagieren könnte frau da ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Ich könnte ja jetzt schreiben: "you made my day" mit Deinem heutigen Blogbeitrag...aber da mir beim Lesen der Appetit auf mein Frühstücksmüsli vergangen ist, hat zumindest der Satz : "du sollst beim Essen nicht Lesen oder Fernsehen" eine neue Bedeutung😜 Spass beiseite, ich freue mich jeden Tag wie Bolle auf Deinen Blog...in diesem Sinne hab ein wunderbares Wochenende❤️ Liebe Grüsse Dagmar
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