Samstag, 10. September 2016

216. Akt 

So. Nu is rum. Mein Geburtstag. Und er war – zwar anders, als erwartet – aber dennoch genial. Dieses Jahr soll mein körperlicher Verfall inklusive feierlicher Begehung des damit einhergehenden ist-mir-doch-wurscht-Upgrades vollständig anders begangen werden. Aber von vorne:
Ich hab heute Geburtstag. So weit so gut. Das können Viele von sich sagen, und die anderen eben innerhalb der nächsten oder letzten 365 Tage.
Und dieses Mal habe ich beschlossen, diesen Jahrestag nur mit einer Person zu verbringen. Quasi mit mir selbst. Ich und Ich wir kennen uns gut, sind nicht immer einer Meinung, halten uns bisweilen gegenseitig für durchgeknallt und ich bin sicher, dass ich es auch bin.
Es ist an der Zeit mal ein paar Ängste zu überwinden, und so beschließe ich, mit Rucksack und Equipment einen Gipfel zu erklimmen. Also völlig unsexuell oder politisch. Ich gehe in die Berge. Mein anderes Ich hält diese Idee nur für mäßig vernünftig, denn meine körperliche Fitness geht nicht selten schon auf dem Weg zum Laufband verloren, aber dennoch. Niemandem sage ich, was ich vorhabe. Lediglich, dass ich für die nächsten ca. 18 Stunden weg bin. Den Kindern ist es schnuppe. Der Kühlschrank ist voll und wenn ich Spaß habe, dann freuen sie sich mit mir.
Mit dem Auto geht es los. Und noch während ich unten ausrolle, schüttelt mein anderes Ich ungnädig mit dem Kopf. Das Gipfelkreuz scheint viel weiter weg und erheblich weiter oben zu sein, als ich es mir vorgestellt habe. Und es gilt neben meiner Höhenangst offensichtlich auch noch etwas ganz anderes zu überwinden. Ist mir zwar etwas peinlich, aber ähem... ich habe Angst vor Kühen. Also die, die so wiederkäuend über ihre Felder laufen und den Besuch einer verhältnismäßig ungeübten Wandererin vielleicht nicht so prickelnd finden.
Die erste Herde schaut mir nur stumpf zu, als ich das Drehkreuz passiere und zwischen ihnen hindurch einen lausig ausgezeichneten Wanderweg suche. Wenn ich sie nur ordentlich ignoriere, dann geht es. Ich bin stolz auf mich. Keine KungFu-Killer-Kühe vorhanden, die mich mit blutunterlaufenen Augen auf die Hörner nehmen wollen. Es geht reichlich steil bergauf, aber was habe ich erwartet? Das Gipfelkreuz ist recht selten im Tal. Sonst wäre es ja viel zu einfach.
Schon bald höre ich wieder das Geläut der Kuhglocken. Wie viele von diesen Tieren sind denn hier oben untergebracht? Meine Kraft lässt nach und ich beschließe mir einfach vorzustellen, dass die Kühe nur in meiner Einbildung existieren. Weiter hoch. Die Hälfte hab ich schon. Immer wenn mein eines Ich rumjammert, kriegt es einen Tritt vom anderen Ich. „Los vorwärts! Du hast es so gewollt. Wirst ja auch keine achtzig, also nicht anhalten.“
Hin und wieder bleibe ich trotzdem stehen. Ich tue so, als ob ich die Aussicht genießen will, faktisch versuche ich allerdings bloß zu ein bisschen Luft zu kommen. Kaum ums nächste Eck steht die nächste Herde bereit. Ich bin schon platt ohne Ende, aber als eine der Kühe geradezu bedrohlich die Nahrungsmittelaufnahme einstellt und beginnt, mich hartnäckig mit ihrem Blick zu verfolgen, werde ich panisch. Wie bekloppt renne ich abseits des Wanderweges den Berg hoch, während mein anderes Ich sich quasi unten vor Lachen im Gras wälzt. Hey, manche haben Angst vor Haien. Ich habe Angst vor Kühen. Vor allem, wenn ich hier alleine unterwegs bin. Man hat ja auch keine Möglichkeit über einen veganen Lebensstil zu diskutieren. Vielleicht sieht sie mir mein letztes Steak noch an?
Schlapp und dennoch recht fix renne ich also weiter hoch. Irgendwann stoße ich wieder auf den Wanderweg. Nur noch wenige hundert Meter. Ja, Kuh sei Dank, ich bin schneller als ich denke.
Der Blick von oben macht mich stolz. Mein anderes Ich umarmt mich ein bisschen und tätschelt meinen Kopf.
Gut gemacht.“
Yo. So ist es.“
Stolz?“
Saustolz!“
Prima!“
Der Gedanke nun noch weitere Schritte zu gehen, lässt mich über einen Anruf bei der Bergrettung nachdenken. Alles unterhalb der Hüfte ist komplett selbstständig unterwegs und droht weitere Dienste zu verweigern. Aber Ich und Ich halten zusammen. Wir kriegen alles hin.
Zusammenfassend bleibt zu sagen:
Kühe sind nur halb so aggressiv wie ich ihnen unterstelle. Muskelkater kennt auch an meinem Geburtstag keine Gnade. Sternennächte sind wunderbare Geburtstagsgeschenke. Und letztens: Nächstes Jahr werde ich wieder in die Sterne schauen, wenn ich die Jahreszahl wechsle. Allerdings lauf ich vorher keinen Berg hoch.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen