216. Akt
So. Nu is rum. Mein Geburtstag.
Und er war – zwar anders, als erwartet – aber dennoch genial.
Dieses Jahr soll mein körperlicher Verfall inklusive feierlicher
Begehung des damit einhergehenden ist-mir-doch-wurscht-Upgrades
vollständig anders begangen werden. Aber von
vorne:
Ich hab heute Geburtstag. So
weit so gut. Das können Viele von sich sagen, und die anderen eben
innerhalb der nächsten oder letzten 365 Tage.
Und dieses Mal habe ich
beschlossen, diesen Jahrestag nur mit einer Person zu verbringen.
Quasi mit mir selbst. Ich und Ich wir kennen uns gut, sind nicht
immer einer Meinung, halten uns bisweilen gegenseitig für
durchgeknallt und ich bin sicher, dass ich es auch bin.
Es ist an der Zeit mal ein paar
Ängste zu überwinden, und so beschließe ich, mit Rucksack und
Equipment einen Gipfel zu erklimmen. Also völlig unsexuell oder
politisch. Ich gehe in die Berge. Mein anderes Ich hält diese Idee
nur für mäßig vernünftig, denn meine körperliche Fitness geht
nicht selten schon auf dem Weg zum Laufband verloren, aber dennoch.
Niemandem sage ich, was ich vorhabe. Lediglich, dass ich für die
nächsten ca. 18 Stunden weg bin. Den Kindern ist es schnuppe. Der
Kühlschrank ist voll und wenn ich Spaß habe, dann freuen sie sich
mit mir.
Mit dem Auto geht es los. Und
noch während ich unten ausrolle, schüttelt mein anderes Ich
ungnädig mit dem Kopf. Das Gipfelkreuz scheint viel weiter weg und
erheblich weiter oben zu sein, als ich es mir vorgestellt habe. Und
es gilt neben meiner Höhenangst offensichtlich auch noch etwas ganz
anderes zu überwinden. Ist mir zwar etwas peinlich, aber ähem...
ich habe Angst vor Kühen. Also die, die so wiederkäuend über ihre
Felder laufen und den Besuch einer verhältnismäßig ungeübten
Wandererin vielleicht nicht so prickelnd finden.
Die erste Herde schaut mir nur
stumpf zu, als ich das Drehkreuz passiere und zwischen ihnen hindurch
einen lausig ausgezeichneten Wanderweg suche. Wenn ich sie nur
ordentlich ignoriere, dann geht es. Ich bin stolz auf mich. Keine
KungFu-Killer-Kühe vorhanden, die mich mit blutunterlaufenen Augen
auf die Hörner nehmen wollen. Es geht reichlich steil bergauf, aber
was habe ich erwartet? Das Gipfelkreuz ist recht selten im Tal. Sonst
wäre es ja viel zu einfach.
Schon bald höre ich wieder das
Geläut der Kuhglocken. Wie viele von diesen Tieren sind denn hier
oben untergebracht? Meine Kraft lässt nach und ich beschließe mir
einfach vorzustellen, dass die Kühe nur in meiner Einbildung
existieren. Weiter hoch. Die Hälfte hab ich schon. Immer wenn mein
eines Ich rumjammert, kriegt es einen Tritt vom anderen Ich. „Los
vorwärts! Du hast es so gewollt. Wirst ja auch keine achtzig, also
nicht anhalten.“
Hin und wieder bleibe ich
trotzdem stehen. Ich tue so, als ob ich die Aussicht genießen
will, faktisch versuche ich allerdings bloß zu ein bisschen Luft zu
kommen. Kaum ums nächste Eck steht die nächste Herde bereit. Ich
bin schon platt ohne Ende, aber als eine der Kühe geradezu
bedrohlich die Nahrungsmittelaufnahme einstellt und beginnt, mich
hartnäckig mit ihrem Blick zu verfolgen, werde ich panisch. Wie
bekloppt renne ich abseits des Wanderweges den Berg hoch, während
mein anderes Ich sich quasi unten vor Lachen im Gras wälzt. Hey,
manche haben Angst vor Haien. Ich habe Angst vor Kühen. Vor allem,
wenn ich hier alleine unterwegs bin. Man hat ja auch keine
Möglichkeit über einen veganen Lebensstil zu diskutieren.
Vielleicht sieht sie mir mein letztes Steak noch an?
Schlapp und dennoch recht fix
renne ich also weiter hoch. Irgendwann stoße ich wieder auf den
Wanderweg. Nur noch wenige hundert Meter. Ja, Kuh sei Dank, ich bin
schneller als ich denke.
Der Blick von oben macht mich
stolz. Mein anderes Ich umarmt mich ein bisschen und tätschelt
meinen Kopf.
„Gut gemacht.“
„Yo. So ist es.“
„Stolz?“
„Saustolz!“
„Prima!“
Der Gedanke nun noch weitere
Schritte zu gehen, lässt mich über einen Anruf bei der Bergrettung
nachdenken. Alles unterhalb der Hüfte ist komplett selbstständig
unterwegs und droht weitere Dienste zu verweigern. Aber Ich und Ich
halten zusammen. Wir kriegen alles hin.
Zusammenfassend bleibt zu sagen:
Kühe sind nur halb so aggressiv
wie ich ihnen unterstelle. Muskelkater kennt auch an meinem
Geburtstag keine Gnade. Sternennächte sind wunderbare
Geburtstagsgeschenke. Und letztens: Nächstes Jahr werde ich wieder
in die Sterne schauen, wenn ich die Jahreszahl wechsle. Allerdings
lauf ich vorher keinen Berg hoch.
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