226. Akt
„Heute
ist Ihr Glückstag!“
Die
Stimme am Telefon klingt hell begeistert. Allerdings klingt sie auch
ein bisschen überheblich.
„Äh,
warum ist mein Glückstag? Haben Sie die Lottozahlen von nächstem
Samstag? Soll ich mitschreiben?“
Der
Mensch am anderen Ende geht nicht weiter auf meinen Scherz ein.
„Frau
Thoma-Adofo, Frau Thoma-Adofo (hab ich schon mal gesagt, wie wenig
ich es mag, wenn man meinen Namen zu oft wiederholt??), das wird das
Buch Ihres Lebens.“
Ich
bin ein klitzekleines bisschen entzückt. Sollte es sich um einen
Käufer meines aktuellen Werkes „33 Grausamkeiten II“ handeln?
Ich
frage nach. Fast abfällig wird verneint. Dann eine dramatische
Pause.
„Sie
schreiben mein (!!!) Buch. Meine Geschichte. Na, was sagen Sie dazu?“
„Ich
schreibe Ihr Buch? Ihre Geschichte? Sehe ich das richtig? Sie möchten
sich über meine Mitarbeit als Ghostwriter oder Co-Autorin
informieren?“
„Was
heißt hier informieren? Ich biete Ihnen die Chance, die Geschichte
Ihres Lebens. Sie werden begeistert sein.“
Gedanklich
gehe ich meine aktuelle Buchplanung durch. Das aktuelle Buch ist erst
vor ein paar Tagen herausgekommen. Zwei neue habe ich bereits wieder
begonnen und zwei weitere Co-Autorenschaften hängen hinten in der
Pipeline. Jeder neue Auftrag kann gar nicht vor 2018 begonnen werden.
Als ich das mitteile, höre ich klarstellendes Gelächter.
„Nein,
Sie haben mich nicht verstanden. Wir fangen am besten noch jetzt im
Herbst damit an. Ich möchte, dass das Buch spätestens im Frühling
erscheint.“
Jetzt
muss dann mal ich lachen.
„Geht
es in der Geschichte um Sie und Ihr Leben?“
„Ja,
natürlich, das tut es.“
„Sind
Sie Obama Baracks Haushälter, Vladimir Putins Liebhaber, Franz-Josef
Strauß´ unehelicher Sohn, der Schwager vom Papst oder irgendwas,
was Ihre Geschichte auf Anhieb zu einem Verkaufsschlager machen
könnte?“
Am
anderen Ende herrscht schockiertes Schweigen.
„Sie
wissen schon, dass ich für meine Arbeit bezahlt werde? Sie
verstehen? Honorar und so weiter?“
„Aber
Fräulein (Hab ich schon mal gesagt, dass ich es hasse, wenn man mich
Fräulein nennt??) !!! Ich biete Ihnen hier die Chance Ihres Lebens!“
„Ja,
das sagten Sie bereits.“
„Sie
werden anteilig über den Gewinn vergütet. Das wird mehr sein, als
Sie sich vorstellen können.“
Äh,
ja. Mehr Arbeit, mehr Stress und drei Mal die Hälfte von 2,20 €
Gewinnspanne für den Buchverkauf. Weil das Werk nur drei Mal gekauft
wird. Von Ihnen, Ihrer Mutter und Ihrem Vermieter. Das sage ich
allerdings nicht.
Ich
frage kurz nach, was denn die Geschichte so unfassbar interessant und
spannend macht, dass er einen Bestseller darin vermutet.
Wieder
erhalte ich ein Lachen am anderen Ende.
„Na
das hätten Sie wohl gerne. Dass ich Ihnen nun alles erzähle und sie
dann die Geschichte ganz für sich alleine schreiben. Nein, nein.
Vorher müssen Sie einen Vertrag unterschreiben. Das habe ich so im
Internet gelesen. Von wegen Stillschweigen und so.“
„Aha!“
„Ja.
Aha!“
„Nun
gut. Dann schicken Sie Ihren Vertrag mal an meinen Literaturagenten.
Der wird sich darum kümmern.“ Innerlich kichere ich, weil ich
genau weiß, wie das in dem Büro ankommen und aufgenommen wird.
„Warum
Agent? Können wir das nicht direkt machen?“
„Aber
nein. Sie sind doch ein Vollprofi, wie ich höre. Das muss alles
seinen richtigen Weg gehen.“
Dann
gebe ich die Adresse meines Agenten und verabschiede mich fröhlich.
Manche
Leute haben wirklich eine unglaubliche Selbstwahrnehmung. Da fest
damit zu rechnen ist, dass ich nichts weiter von diesem „Patienten“
hören möchte, speichere ich die Nummer in meinem Handy. Nur damit
ich weiß, wann ich nicht nochmal ans Telefon gehen darf. Und da er nicht Harry Potter oder James Bond heißt, gehe ich in diesem Fall davon aus, dem Buch nie wirklich in den Buchhandlungen zu begegnen. Und ihm hoffentlich auch nicht.
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