214. Akt
Ich bin in der Stadt, habe etwas
Zeit und will selbige nun in einem Café verschwenden. Und da es so
schön sonnig ist, setze ich mich völlig ohne nachzudenken auf die
Terrasse. Noch bevor mir der Kellner meinen Cappuccino über die
Untertasse plörrt, höre ich eine Stimme, die meinen Namen ruft.
Irgendwas stellt mir die Nackenhaare auf. Es ist ein bisschen so wie
damals, als ich ein Bademodenshooting in Florida hatte. Im
Seaquarium. Ganz weit weg von Zuhause rief genau diese Stimme in
genau dem gleichen Ton meinen Namen. Und ja. Es handelt sich um ein
und die selbe Person. Eine blonde, großgewachsene, nicht
unattraktive Person setzt sich neben mich, legt mir die Hand aufs
Bein und schnattert los. Genau wie damals.
Sie hätte mich gleich erkannt.
Ich hätte mich kaum verändert. Na ja, älter werden wir halt
trotzdem alle. Was ich so mache. Kinder, Ehen, Leben, wirtschaftliche
Verhältnisse.
Ich komme kaum zum antworten,
erkläre aber dennoch, dass es mir gutgeht und was ich tue. Ich
erzähle von meiner Arbeit als Autorin und erwähne fahrlässig ein
paar Foto-Jobs und Modenschauen.
„Tja,“ sagt sie „Du weißt
schon, dass du deine Karriere damals mir zu verdanken hattest?“
Ich muss schlucken. Äh, wie?
Sie war Model, ich war Model. Was hat sie getan? Fotografen bezahlt
mich abzulichten? Kunden unmoralische Dinge angeboten, dass sie mich
buchen? Ich frage nach.
„Na du weißt doch. Wir hatten
mal eine Show in Bremen und da habe ich dir gesagt, mit wem ich
zuletzt gearbeitet habe. Und eine Woche später hat er dich dann für
das Cover von der hab-ich-vergessen gebucht.“
Ich muss ehrlich gesagt zugeben,
dass ich keine Ahnung habe, wovon sie spricht. Sie schaut mich an,
als ob ich etwas ganz unmögliches ausgesprochen habe.
„Doch, doch. Und danach bist
du dann ziemlich erfolgreich durchgestartet.“
„Wann soll das bitte gewesen
sein?“
„Ich glaube, du warst damals
neunzehn oder so.“
„Äh, du weißt schon, dass
ich mit neunzehn schon ein paar Jahre in dem Geschäft gearbeitet
habe?“
„Ja, aber nicht so.“
„Aha.“
„Okay.“
Ich habe keine große Lust, mir
das ganze noch länger anzuhören und verzische mich mit der Aussage,
dass ich noch einen wichtigen Termin in einer Redaktion habe. Auf dem
Weg zur Tiefgarage denke ich, dass – wenn die Madame, die hinter
mir noch an ihrem Prosecco süppelt – mich zu Dank verpflichtet
sieht, ein Haufen anderer noch vor ihr drankommen.
Also:
Danke an Adam und Eva – ohne
euch hätte das alles gar nicht angefangen. Danke der Evolution –
Als Neandertaler hätte ich lange in Stein ritzen müssen.
Danke an meine Eltern – ihr
hättet euch damals ja auch einfach aus dem Weg gehen können –
unvorstellbar, wie wenig dann aus mir geworden wäre.
Danke der Kosmetikindustrie und
Haarpflege-Produkt-Hersteller – als olivfarbener Wischmop hätte
ich deutlich schlechtere Chancen gehabt.
Danke meinen Agenturen, den
Fotografen, Magazinen und Kunden – Model sein ohne euch wäre nur
halb so effektiv.
Danke an die Miss Germany
Corporation – ohne euch hätte ich nicht so viele Schärpen im
Keller.
Danke, all meinen Freunden,
Ex-Freunden, Nachbarn, Kollegen und Mitmenschen, die mich auf die
Ideen zu meinen Bücher gebracht haben.
Danke dem Eiswagenverkäufer,
der mich nicht überfahren hat.
Und allen anderen auch. Danke,
danke, danke.... was wäre ich bloß ohne euch?
*hi hi* liest sich echt witzig, das "Große Danke".
AntwortenLöschenGruß
G.