Samstag, 17. September 2016

223. Akt

Diese Woche ist echt ne Menge los. Kind 1.0 nullt zum zweiten Male in seinem Leben, ein tolles Riesen-Event von einer befreundeten PR-Agentur, die unvergessliche Vernissage in meiner Lieblings-Galerie, und heute stellen sich die Autoren meines Heimatortes in der neugestalteten Ortsbücherei vor. Wir sind drei Schriftsteller. Alle anders, alle spannend. Hoffe ich zumindest. Für alle Fälle richte ich mich schon mal darauf ein, mir im Notfall prächtig einen auf die Lampe zu schütten, falls ich mich langweilen sollte.
Aber wieder Mal daneben gelegen. Vor knapp einem Jahr hatte ich eine ausgesprochen erfreuliche Lesung in den ursprünglichen Räumen der Bücherei. Jetzt ist alles heller, größer, weiter und ich verzichte vorerst darauf, mich mit einer Flasche Prosecco in eine Ecke zurückzuziehen und immer nur freundlich zu lächeln. Nur zwei, drei mal nehme ich mir im Vorbeigehen ein Gläschen mit. Mit meinen Romanen bin ich in einem Nebenraum untergebracht. „Krimi-Ecke“ heißt es. Einerseits ganz sexy. Nur ein Aus- und Eingang, ich kann flüchtende Besucher und Leser problemlos aufhalten, wenn ich möchte. Andererseits habe ich da hinten verhältnismäßig wenig Frischluft und es ist sehr, sehr heiß. So heiß, dass ich den Gästen, die meine Abteilung verlassen hinterher rufe, dass das sicher bloß Angstschweiß sei. Ausgelöst von den dunklen Phantasien, die sich in meinen Büchern wiederfinden.
In Unterwäsche kann ich da allerdings auch nicht sitzen. Ist ja nicht die Erotikabteilung. Also schnell noch ein Fläschchen Wasser und ein weiteres Gläschen Prosecco. Der Bürgermeister und die Leiterin der Bücherei begrüßen die Gäste, und ich freue mich, dass ich genau hier Zuhause bin. Die Presse ruft zu Fotos und Interviews und ich bin höchst erfreut, dass ich ganz zufällig stets mein Buch in den Händen halte, wenn es klickt. Die Stimmung in der Bücherei ist viel besser, das Publikum viel interessierter, als ich mir zu träumen gewagt habe. Die Pizzeria ums Eck versorgt alle mit leckeren Köstlichkeiten, und der Prosecco ist ja immer noch nicht alle. Mit geht prima. Meine Mutter begleitet mich. Was mich wenigstens nicht einsam schwitzen lässt. Andererseits hat sie halt manchmal auch nur Blödsinn im Kopf. Als der Journalist der Süddeutschen mich zum Gespräch bittet, habe ich zum einen zwei Tempo-Taschentücher unter den Armen um die gröbsten Schweißausbrüche einzudämmen und zum anderen halte ich mich an einem etwas wackligen Stehtisch fest. Ich versuche vernünftige Antworten auf vernünftige Fragen zu geben, aber meine Mutter macht eigenartige Bewegungen hinter dem Reporter, und ich kann mich nicht vollständig konzentrieren. Sie hat ja keine Ahnung, dass es hier um ein Interview geht. Sie glaubt, ich flirte mit einem Leser.
Die Leiterin der Bücherei kommt immer mal wieder nach mir schauen. Ich finde sie klasse. Frau H. steckt nämlich seit Jahren viel Herzblut in die Bücherei, außerdem organisiert sie meine örtlichen Lesungen. Im Moment glaube ich aber, sie hat eher Sorge, dass die Kombination aus Hitze, Prosecco und dunkler Literatur um mich herum, schädlichen Einfluss auf mich hat. Ich verkaufe meine Bücher, lese vor, lache und habe Spaß mit meinen Kollegen und den Gästen. Auf weiteren Prosecco verzichte ich jetzt allerdings. Sonst bekomme ich beim nächsten Mal einen Stand in der Nähe der Bücher der Anonymen Alkoholiker. Und wieder bleibt zu sagen, dass dieses Event, fernab von Schnickschnack und Glamour, in keinster Weise hinter den Veranstaltungen der letzten Wochen zurückbleibt. Es geht eben nicht um das Wo, sondern manchmal lediglich um das Wie. Was soll ich sagen? Ich liebe meinen Job.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen