223. Akt
Diese
Woche ist echt ne Menge los. Kind 1.0 nullt zum zweiten Male in
seinem Leben, ein tolles Riesen-Event von einer befreundeten
PR-Agentur, die unvergessliche Vernissage in meiner
Lieblings-Galerie, und heute stellen sich die Autoren meines
Heimatortes in der neugestalteten Ortsbücherei vor. Wir sind drei
Schriftsteller. Alle anders, alle spannend. Hoffe ich zumindest. Für
alle Fälle richte ich mich schon mal darauf ein, mir im Notfall
prächtig einen auf die Lampe zu schütten, falls ich mich langweilen
sollte.
Aber
wieder Mal daneben gelegen. Vor knapp einem Jahr hatte ich eine
ausgesprochen erfreuliche Lesung in den ursprünglichen Räumen der
Bücherei. Jetzt ist alles heller, größer, weiter und ich verzichte
vorerst darauf, mich mit einer Flasche Prosecco in eine Ecke
zurückzuziehen und immer nur freundlich zu lächeln. Nur zwei, drei
mal nehme ich mir im Vorbeigehen ein Gläschen mit. Mit meinen
Romanen bin ich in einem Nebenraum untergebracht. „Krimi-Ecke“
heißt es. Einerseits ganz sexy. Nur ein Aus- und Eingang, ich kann
flüchtende Besucher und Leser problemlos aufhalten, wenn ich möchte.
Andererseits habe ich da hinten verhältnismäßig wenig Frischluft
und es ist sehr, sehr heiß. So heiß, dass ich den Gästen, die
meine Abteilung verlassen hinterher rufe, dass das sicher bloß
Angstschweiß sei. Ausgelöst von den dunklen Phantasien, die sich in
meinen Büchern wiederfinden.
In
Unterwäsche kann ich da allerdings auch nicht sitzen. Ist ja nicht
die Erotikabteilung. Also schnell noch ein Fläschchen Wasser und ein
weiteres Gläschen Prosecco. Der Bürgermeister und die Leiterin der
Bücherei begrüßen die Gäste, und ich freue mich, dass ich genau
hier Zuhause bin. Die Presse ruft zu Fotos und Interviews und ich bin
höchst erfreut, dass ich ganz zufällig stets mein Buch in den
Händen halte, wenn es klickt. Die Stimmung in der Bücherei ist viel
besser, das Publikum viel interessierter, als ich mir zu träumen
gewagt habe. Die Pizzeria ums Eck versorgt alle mit leckeren
Köstlichkeiten, und der Prosecco ist ja immer noch nicht alle. Mit
geht prima. Meine Mutter begleitet mich. Was mich wenigstens nicht
einsam schwitzen lässt. Andererseits hat sie halt manchmal auch nur
Blödsinn im Kopf. Als der Journalist der Süddeutschen mich zum
Gespräch bittet, habe ich zum einen zwei Tempo-Taschentücher unter
den Armen um die gröbsten Schweißausbrüche einzudämmen und zum
anderen halte ich mich an einem etwas wackligen Stehtisch fest. Ich
versuche vernünftige Antworten auf vernünftige Fragen zu geben,
aber meine Mutter macht eigenartige Bewegungen hinter dem Reporter, und
ich kann mich nicht vollständig konzentrieren. Sie hat ja keine
Ahnung, dass es hier um ein Interview geht. Sie glaubt, ich flirte
mit einem Leser.
Die
Leiterin der Bücherei kommt immer mal wieder nach mir schauen. Ich
finde sie klasse. Frau H. steckt nämlich seit Jahren viel Herzblut
in die Bücherei, außerdem organisiert sie meine örtlichen
Lesungen. Im Moment glaube ich aber, sie hat eher Sorge, dass die
Kombination aus Hitze, Prosecco und dunkler Literatur um mich herum,
schädlichen Einfluss auf mich hat. Ich verkaufe meine Bücher, lese
vor, lache und habe Spaß mit meinen Kollegen und den Gästen. Auf
weiteren Prosecco verzichte ich jetzt allerdings. Sonst bekomme ich
beim nächsten Mal einen Stand in der Nähe der Bücher der Anonymen Alkoholiker. Und wieder bleibt zu sagen, dass dieses Event, fernab von Schnickschnack und Glamour, in keinster Weise hinter den Veranstaltungen der letzten Wochen zurückbleibt. Es geht eben nicht um das Wo, sondern manchmal lediglich um das Wie. Was soll ich sagen? Ich liebe meinen Job.
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