211. Akt
„Aaaaaarghhhh!!!! Ich habe die
Hanfsamen vergessen.“
Was hier so klingt, als ob
jemand auf einer kardiologischen Station gerade den Defibrillator
verlegt hat, ist bloß meine Tochter. Sie macht sich das, was früher
schlichtweg Müsli hieß. Es ist schließlich schon fast 13 Uhr und
das Kind braucht Frühstück.
Zu meiner Zeit konnte man sich
irgendwas in die Milch schütten, was man da hatte. Weizen-, Roggen-,
Haferflocken. Zack! Das Müsli war fertig.
Heute wird Agavendicksaft in
etwas geschüttet, was veganes Reis-Nuss-Getränk heißt und die
Milch irgendwie ersetzen soll. Dann kommen Chiasamen und allerlei
Gekörntes dazu. Obst natürlich auch. Mangos, Papaya etc.
Und – oh Schreck – heute
wurden diese Hanfsamen vergessen, die ich nur erkennen würde, weil
die Bezeichnung fett auf der Verpackung steht. Mich lässt das kalt.
Kind 2.0 wird durch Hanfsamenmangel nicht verhungern. Also nimm die
einen Löffel und iss es trocken oder lass es bleiben.
Im Gegensatz zu mir sitzt meine
Mutter stocksteif am Tisch.
„Hanfsamen?“
„Ja, Tochterkind macht das
Zeug ins Müsli.“
„Drogen?“
„Nee Mutti, nicht wirklich.“
„Bist du sicher?“
„Ja. Außer Gras zum
Frühstück, habe ich ihr auch die Haschkekse zum Kaffee verboten.
Und Koks gibt’s auch erst nach 18 Uhr.“
„Du willst mich verarschen?“
„Ähem... ja. Macht Spaß.“
Und dann erkläre ich ihr die
neue deutsche Küche. Wir sitzen, philosphieren darüber, wie wir
ohne dieses Trockenfutter überhaupt das juvenile Alter hinter uns
lassen konnten und wir trinken Kaffee. So wie vor zehn, zwanzig,
dreißig Jahren auch.
Dass ich den Zucker durch das
kalorienärmere Stevia ersetzt habe, sage ich Mutti aber nicht. Sie
glaubt sonst, sie hätte den Anschluss vollständig verpasst. Und das
will ich ja nun auch wieder nicht.
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