Die Nachmittage, bei denen
gleich mehrere Generationen meiner Familie aufeinanderprallen, sind
immer extrem unterhaltsam. Völlig ohne Handy, Ipad und anderes
technische Equipment, entwickelt vor allem die jüngste Etage meiner
Familie ausgesprochen interessante und durchgeknallte Ideen. Nachdem
beim letzten Treffen die Weltrettung zur Debatte stand, ist es dieses
Mal der zwischenmenschliche Bereich. Aus heiterem Himmel unterhalten
sich Kind 1.0 und 2.0 meinerseits und die Kinder A., B. und C. meiner
Schwester darüber, wie es wäre, uns ein paar Stalkern
auszusetzen. Ratzfatz wird gedanklich ein fiktives Parship Profil
meiner Person diskutiert. Dass ich keinerlei Bedarf in dieser
Richtung habe, wird dabei hartnäckig
ignoriert. Ich höre nur mit einem Ohr zu, da ich sonst schreiend und
panisch das Haus meiner Schwester verlassen müsste. Es beginnt
damit, dass ich alterstechnisch Mitte 30 angepriesen werde, damit ich sicher an den
potenten Mann gebracht werden kann. Kind 2.0 rudert zurück. Lieber
nicht potent, weil sie keinen Bock mehr auf kleine Geschwister hat.
Kind 1.0 stimmt zu. A., B. und C. ist es wurscht. Ich bin schließlich
nicht ihre Mutter, sondern bloß die Tante. Weiter geht es im Text.
Vorzugsweise werden Kandidaten mit Landhaus auf den Bahamas und
Appartement in New York behandelt. Kind 2.0 dreht offenbar gerade
komplett durch, was die Eroberung der Welt ihrerseits angeht. Bei der
Erwähnung meines Nachwuchses beschließen beide, sich selber in
diesem Profil zu unterschlagen. Meine Mutter, meine Schwester und ich
überlegen, ob wir uns Rum im Kaffee genehmigen sollten. Die
juvenilen Ideen am Kaffeetisch entgleisen nämlich gerade. Denn meine
Wenigkeit ist erst der Anfang.
Für ihre Oma arbeiten sie jetzt
ebenfalls an einem Parship Profil. Bei Wunschpartner tragen sie unter
schallendem Gelächter „Fashionboy - nicht über 60, am besten ohne
Hörgerät, respektive vollständig taubstumm.“ ein. Dann hätte
es Aussicht auf Zukunft, meinen sie.
Ich schaue abwechselnd meine
Kinder, Nichten und Neffen an und frage mich, was in ihrer Erziehung
derart eklatant schief gelaufen ist.
Kind 1.0 fügt beim Profil
seiner Großmutter als Benefit noch ein: „Sie kann selbstständig
atmen.“ Bei "Kochen" wird ein dezenter Strich gemacht.
Und wo sie schon mal dabei sind,
wird auch noch für meine kleine Schwester ein imaginäres Profil
erstellt.
Bei einem kurzen Brainstorming
fallen die Bezeichnungen:
„Klein aber fein“, „Sugar
Brownie“, „Bonsai“ und „in der Kürze liegt die Würze“.
Dass sich die Gören aber auch immer nur auf Äußerlichkeiten
festnageln. Bloß, weil meine kleine Schwester auf Augenhöhe mit
einer Parkuhr das Wachsen aufgehört hat.
Sie hat die Figur und die Haut
einer Neunzehnjährigen und muss immer noch ihren Ausweis vorzeigen,
wenn sie Alkohol kaufen will. Und das, obwohl sie bloß ein Jahr und
zehn Tage jünger ist als ich. Wäre sie zehn Zentimeter größer,
würde Naomi Campbell seit Jahren heulend in einer Ecke sitzen.
Dann kommt ein Profil für
meinen neunzehnjährigen Neffen. Es hört direkt nach dem Nicknamen
„Black Mamba“ auf. Dann liegen alle vor Lachen unter dem Tisch.
Meine Schwester und ich
versuchen die aufsässigen Gören mit Kuchen abzulenken. Das nimmt
hier Wendungen an, dass wir überlegen, noch mal einen Bluttest
vorzunehmen. Das kann doch nicht unsere direkte Verwandtschaft sein?
Eine Stunde später sind wir
wieder auf dem Heimweg. Irgendwann ließen sie sich mit den Worten
„Dienstag sind die Ferien rum, oder?“ wieder auf den Boden der
Tatsachen holen. Ich grüble ein bisschen. Bei der Kreativität, die
die Kids in manchem Bereichen an den Tag legen, werde ich mir
definitiv drei mal überlegen, wen ich in meine Patientenverfügung
einsetzen werde. Und über das Testament reden wir auch noch, wenn
sie ein bisschen älter sind.
Sehr köstlich! Ich muss wirklich immer mal wieder laut lachen bei Ihren Texten. Danke dafür :-)
AntwortenLöschenAlles Gute nachträglich noch zum Geburtstag!
Beste Grüße