205. Akt
Mein Leben wird sich verändern.
Eklatant. Komplett und unwiederbringlich. Eigentlich ist es ja gar
nicht mein Leben, was sich so sehr verändern wird, sondern das
meiner Tochter, aber da ich ja nun genetisch, emotional und
organisatorisch hinten dran hänge, betrifft es mich auch kolossal.
Tochterkind macht nächstes Jahr
Abitur. Damit ist nach Kind 1.0 im vergangenen Jahr auch noch Kind
2.0 aus dem Schulbetrieb entlassen. Soweit so gut. Aber was ist mit
mir? Damit ist mein selbstauferlegtes sechs Uhr Aufstehen, Frühstück
richten, Kinder verabschieden vollständig überflüssig.
Mein Sohn kommt schon ins dritte
Semester, und wann immer ich ihn Frage, ob ich ihn wecken und
Frühstück machen soll, bekomme ich einen Blick, als ob meine Rente
soeben um 50% geschrumpft ist. Ab September 2017 studiert dann auch
noch mein Baby (Und mir ist wurscht, ob das Baby mich schon um zwei
Zentimeter überragt).
Was kommt dann? Ich werde
vermutlich komplett verwahrlosen. Im Pyjama nachmittags um 14 Uhr
Frühstückssemmeln kaufen gehen, verlottern und total entgleisen.
Mein Wecker wird sich selber entsorgen. Ich werde mich erst ab 15 Uhr
mit einem trägen „Moin!“ am Telefon melden und beruflich ist
ohnehin Essig. Meine Bürozeiten laufen eher synchron mit dem
amerikanischen Markt. Und für den arbeite ich ja gar nicht.
Also was tun? Kurz auf der
gynäkologischen Station nachfragen, ob man nicht irgend ein
Spät-Entbinder-Abo abschließen kann? Adoption? Ein Hobby erlernen,
wofür man früh morgens aufstehen muss, und dass alle dreißig
Minuten nach einem ruft? Überlegen, welche Freundschaften man riskiert, weil ich schon ab 6.30 Uhr telefonieren will?
Hach, alles doof. Aber ein paar
Monate hab ich ja noch Zeit. Und in diesen Wochen und Monaten werde
ich den Wecker morgens um sechs frustriert ausschalten und mir
wünschen, noch ein halbes Stündchen dranhängen zu können. Dann
steh ich auf, richte Frühstück und warte an der Tür auf den
„Tschüß Mama“- Abschiedskuss.
Und wenn ich die Tür schließe,
dann kommt mir wieder in den Sinn, dass man es mir manchmal wirklich
nicht recht machen kann. Und schon gar nicht morgens um sechs.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen