Dienstag, 30. August 2016

205. Akt 

Mein Leben wird sich verändern. Eklatant. Komplett und unwiederbringlich. Eigentlich ist es ja gar nicht mein Leben, was sich so sehr verändern wird, sondern das meiner Tochter, aber da ich ja nun genetisch, emotional und organisatorisch hinten dran hänge, betrifft es mich auch kolossal.
Tochterkind macht nächstes Jahr Abitur. Damit ist nach Kind 1.0 im vergangenen Jahr auch noch Kind 2.0 aus dem Schulbetrieb entlassen. Soweit so gut. Aber was ist mit mir? Damit ist mein selbstauferlegtes sechs Uhr Aufstehen, Frühstück richten, Kinder verabschieden vollständig überflüssig.
Mein Sohn kommt schon ins dritte Semester, und wann immer ich ihn Frage, ob ich ihn wecken und Frühstück machen soll, bekomme ich einen Blick, als ob meine Rente soeben um 50% geschrumpft ist. Ab September 2017 studiert dann auch noch mein Baby (Und mir ist wurscht, ob das Baby mich schon um zwei Zentimeter überragt).
Was kommt dann? Ich werde vermutlich komplett verwahrlosen. Im Pyjama nachmittags um 14 Uhr Frühstückssemmeln kaufen gehen, verlottern und total entgleisen. Mein Wecker wird sich selber entsorgen. Ich werde mich erst ab 15 Uhr mit einem trägen „Moin!“ am Telefon melden und beruflich ist ohnehin Essig. Meine Bürozeiten laufen eher synchron mit dem amerikanischen Markt. Und für den arbeite ich ja gar nicht.
Also was tun? Kurz auf der gynäkologischen Station nachfragen, ob man nicht irgend ein Spät-Entbinder-Abo abschließen kann? Adoption? Ein Hobby erlernen, wofür man früh morgens aufstehen muss, und dass alle dreißig Minuten nach einem ruft? Überlegen, welche Freundschaften man riskiert, weil ich schon ab 6.30 Uhr telefonieren will?
Hach, alles doof. Aber ein paar Monate hab ich ja noch Zeit. Und in diesen Wochen und Monaten werde ich den Wecker morgens um sechs frustriert ausschalten und mir wünschen, noch ein halbes Stündchen dranhängen zu können. Dann steh ich auf, richte Frühstück und warte an der Tür auf den „Tschüß Mama“- Abschiedskuss.

Und wenn ich die Tür schließe, dann kommt mir wieder in den Sinn, dass man es mir manchmal wirklich nicht recht machen kann. Und schon gar nicht morgens um sechs.    

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