Freitag, 5. August 2016

180. Akt 

Es gibt Dinge, die kann man mancherorts machen. An anderen Plätzen sollte man tunlichst darauf verzichten. Absolut! Ganz und gar! Zu hundert Prozent!
Ich meine nicht das Sonnenbaden, nackig am FKK Platz, was dort völlig normal ist, anderorts aber nicht gerne gesehen wird.
Nein. Viel banaler. Es geht um das Abkürzen von Wegen.
Während man Zuhause so manchen Schleichweg kennt, der einen schneller oder unentdeckt ans Ziel bringt, schließt sich das woanders möglicherweise komplett aus. In Städten, die am Reißbrett entstanden sind, also in etwa Mannheim, Manhattan und Mexico City ist Abkürzen möglich. Zweite links, dritte rechts. Schon ist man da. Alles easy.
Aber versuche nie, nie, nie einen Weg abzukürzen, wenn du in Venedig bist.
Nachdem ich dort ja regelmäßig Zeit verbringe, denke ich mir:
Alles Quatsch! Ich kenne die Richtung und steige zur Unterhaltung mal eine Station früher aus dem Taxiboot.“
Von dort aus will ich dann zu meinem Hotel laufen.
So, wie bei allen meinen Büchern gehe ich nämlich in der Phase der Fertigstellung für ein paar Tage in ein Hotel und verbringe dort nur Zeit mit mir, einer Flasche Wein und meinem Manuskript. Bei Büchern, die volle Aufmerksamkeit brauchen, nehme ich ein Hotel, das mich nicht ablenkt. Bei Kurzgeschichten gerne eines, wo ich ein klitzekleines bisschen Zerstreuung finde.
Bei der „Fall A.“ zum Beispiel, saß ich vier Tag in einem schrabbeligen Motel One Hotel im Frankfurter Industriegebiet. Vorne nix. Hinten Autobahn und das Fenster, aufgrund einer Baustelle auch noch mit Folie verklebt. Ja, da kann man sich schon auf das Wesentliche konzentrieren.
Für „33 Grausamkeiten II – (Alp-)Träume für Jedermann“ sollte es nun ein Hotelchen mitten in Venedig sein.
Wie gesagt, ich steige eine Station früher aus und laufe los. Aber irgendwie scheinen die in der Zwischenzeit alle Brücken, Wege und Orientierungspunkte völlig neu zusammengewürfelt zu haben.
Ständig komme ich irgendwo raus, wo ich schon war oder ganz sicher nicht hinwill. Einfach einen Taxifahrer fragen, geht ja auch nicht. Ist schließlich Venedig und nicht Wuppertal.
Nach einiger Zeit meldet der Schrittzähler auf meinem Handy, dass ich bald einen neuen Rekord erreicht habe.
Na super. Bei dreißig Grad. Im Kleid. Mit meine Trolley, der hinter mir hereiert.
Das Navi auf meinem Handy informiert mich auch immer nur auf offenen Plätzen, dass ich mein Ziel so gerade eben um wenige hundert Meter verfehlt habe. In den Gassen hängt es sich gnadenlos auf.
Als ich schon frustriert einem Gondoliere beim nächsten „o sole mio“ mein Handy an den Kopf schmeißen will, stelle ich fest, dass ich angekommen bin. Yepp. Das ist mein Hotel. Nur von hinten. Damit ich keine weiteren Fehler mache und mich nicht wieder versehentlich davon entferne, laufe ich nun immer an der Wand lang. Zwei Minuten später stehe ich an der Rezeption.
Tschakkaaaaaaaa! Her mit dem Vino. Die Arbeit beginnt.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen