Montag, 8. August 2016

183. Akt
  
Ihr Rotzlöffel, ihr vermaldeiten! Euch sollte man die Ohren langziehen. Eine ordentliche Tracht Prügel würde euch helfen. Steht´s da wie zwei Ganoven. Geht´s her, kriegt gleich mal ne Watschn...“
Ich bin ein bisschen irritiert. In einer Bushaltestelle steht ein Mann und beschimpft zwei Buben. Die Jungs sind vielleicht zehn oder elf Jahre alt und schauen betreten. Einerseits würden sie wohl gerne das Weite suchen, andererseits müssen sie wohl mit dem nächsten Bus nachhause, zum Training oder sonst wohin. Da sich sonst keiner in nächster Nähe befindet, frage ich mal kurz nach, was denn passiert sei. Vielleicht haben ihn die Burschen ja ganz schlimm beleidigt, das Haus abgebrannt oder den Gehstock weggetreten. Denn Letzteres muss schon mindestens der Fall sein, für so eine fulminante Schreierei.
Wieso wollns das wissen? Sind das ihre?“
Hmmm klar. Meine beiden Söhne sind rothaarig und blond und gleichen mir wie zwei Bananen einer Wassermelone.
Nein, aber ich finde es nicht schön, wenn Sie die Jungs hier so rund machen.“
Die haben mit ihren Taschen die Plätze besetzt. Und ich sollte stehn.“
Haben sie das denn gesagt?“
Wos gsagt?“
Dass Sie stehen sollen?“
Nein, aber da standen die Taschn drauf.“
Aber jetzt ist die Bank ja frei.“ Ich kann nicht glauben, dass der Typ hier so rumlamentiert, bloß weil zwei Kinder nicht sofort aufgesprungen und ihm Platz gemacht haben.
Ja, jetzt ist frei. Aber erst muss man die anbrüllen.“
Das stimmt ja gar nicht. Wir sind gleich aufgestanden, als sie dem David seinen Rucksack runter geworfen haben.“ Der kleine Rote traut sich.
Sie haben den Rucksack runtergeschmissen und jetzt brüllen sie die beiden vorsorglich auch noch an?“
Die Jungs wechselten von einem Bein auf das andere. Ich weiß nicht, was ihnen unangenehmer ist. So ein grenzdebiler Honk, der sie anbrüllt, oder eine fremde Frau, die aussieht, als ginge sie dem Typen gleich mal an den Hals. Aber sie bleiben beieinander. Von Weitem kann ich den Bus schon kommen sehen.
Die haben aufzustehen, wenn ein Erwachsener kommt. Die haben keinen Respekt. Keinen Anstand. Gänzlich unhöflich. Dreckspack!“
Ich überlege, ob ich noch was sage oder die Gunst der Stunde und den herannahenden Bus nutzen soll.
Sie wollen den Jungs Respekt, Anstand und Höflichkeit beibringen, indem Sie sich aufführen als seien Sie aus Haar ausgebrochen?“ (Haar ist die nächstmöglich Klapse, die mit dem Bus erreichbar ist).
Der Bus hält und die Jungs steigen ein. Beide winken mir noch zu. Mittlerweile hat der Typ einen hochroten Kopf und fühlt sich meinerseits wohl ein bisschen missverstanden oder gar ...ähem, kritisiert.
Die Türen schließen und der Bus fährt los.
Jetzt bin ich noch weit mehr irritiert als zuvor.
Ihr Bus ist gerade abgefahren!“
Ich warte ja gar nicht auf den Bus.“
Bitte was?“
Aber aufstehen hätten sie trotzdem müssen, die Rotzlöffel.“
Wenn diese dämlichen Buswarte-Häuschen nicht so gut einsehbar wären, würde ich meine Einkäufe gerne als Angriffs-Material nutzen.
So schüttel ich aber nur mit dem Kopf. Einatmen, ausatmen, umdrehen und gehen. Und jetzt, wo der Idiot die gesamte Bank für sich hat, entschließt er sich lieber rumzustehen.

Ich könnte ihn, ich könnte ihn.... aber ich tu es nicht. Noch mehr Schreierei und Aggression machen mich auch nicht glücklich. Also hoffe ich, dass die Jungs im Bus jetzt ihre Ruhe haben und dass der Typ mal an jemanden gerät, der ihn nicht nur „könnte“, sondern auch tut.  

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