Donnerstag, 4. August 2016

179. Akt

Mal wieder im Flieger.  Ich sitze wie immer am Fenster. Die Maschine ist dreiviertel voll und auf dem Gangplatz sitzt eine Frau in meinem Alter.
Als sie sich hingesetzt hat, hat sie mich noch nett gegrüßt. Jetzt schaut sie immer nur noch kurz hoch und zu mir rüber. 
Flugangst. Diagnostiziere ich. Kenn ich. Hatte ich auch mal ein paar Jahre. Meine Tabletten biete ich ihr aber nicht an. Zum einen reagieren Menschen manchmal recht eigenartig, wenn man ihnen Beruhigungsmittel anbietet, und zum anderen, hab ich gar keine dabei.
Ich sitze auf meinem Sitz und probiere ein mobiles Akku -Ladegerät anzuschließen. Meine Tochter hat mir das Ding mitgegeben.  Mein Samsung pfeift Akku -technisch nämlich auf dem letzten Loch. 
Sieht ganz schnieke aus,  das Teil.
Schwarz, vielleicht zehn bis zwölf Zentimeter lang. Mipow power tube heißt es. Man zieht die schwarze Kappe ab, dann erscheint der Handyanschluss. Der wird ins Handy gesteckt. Dann noch feste mit dem Daumen auf "an", und schon wird das Handy geladen. Eigentlich. 
Ich allerdings sitze da und fluche leise vor mich hin. 
Dieses dämliche Teil verweigert nämlich hartnäckig die Kontaktaufnahme mit meinem Handy. Irgendwann steckt es dann ordentlich. 
"Gott sei Dank " sag ich und lächle die Frau am Gangplatz an. 
Sie lächelt nicht zurück, sondern schaut mich nur mit großen Augen an.  Sie wirkt extrem nervös. 
Und - na ja ... nervöse Flugpassagiere machen dann auch wieder mich nervös. 
Sie trägt keinen Rucksack und wirkt nicht, als sei sie in böser Mission unterwegs.  Aber nervös ist sie,  als wollte sie gleich die Maschine entführen. Mir ist das sehr unangenehm. Nochmal ansprechen will ich sie aber nicht. 
Also mach ich weiter an meinem Handy rum. Mit dem Daumen drücke ich mehrfach den "an"-Knopf.
"So ein Mist, das blöde Teil funktioniert einfach nicht!" fluche ich leise. 
Jetzt kommt Stimmung auf. Die Gang-Dame schnallt sich hektisch ab und läuft hastig nach vorne. 
"Hoffentlich nur Durchfall" denke ich mir.  Auf eine Flugzeugentführung habe ich nun gar keine Lust.  
Aber nichts der gleichen.  Eine Flugbegleiterin UND ein Flugbegleiter kommen den Gang entlang gelaufen.  Ruhig. Ganz ruhig. Bis Reihe 25. Und da sitze ich. 
Sie lächeln und fragen, ob bei mir alles okay ist.  Ich bestätige mein "okay-Sein". Dann erkläre ich, dass ich mich gerade mit dem Akkuladegerät etwas schwer tue und in Sorge bin, weil diese andere Passagieren ein bisschen auffällig war. 
Der Mann fragt, ob er mir mit dem Gerät helfen kann. Ich reiche ihm Handy und Auflader.  Er zieht den Kontakt raus und steckt ihn wieder rein. Zack funktioniert es. Dann sagen sie mir,  dass die Frau Angst hatte, dass ich hier mit irgendeinem Zünder hantiere. Nun lachen beide, und als ich begreife, was da gerade passiert ist, muss ich auch lachen. Zumindest kurz.
Okay, warum sollten Terroristinnen nicht im Sommerkleid im Flieger nach Italien sitzen und an der Technik verzweifeln?
Die Frau hat sich übrigens nicht wieder zurück gesetzt. Sie wählte einen anderen Platz. Und ehrlich.  Ein kleines bisschen kann ich das verstehen. 


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