351. Akt
Ich
hänge an der Nadel....
Ich
habe mir Stoff gekauft. Gerade noch rechtzeitig. Und für alle, die
jetzt hyperventilieren und laut aufschreien „Ich habe es mir
gedacht. So völlig normal kann sie nicht sein.“, hier zur
Ernüchterung - Es handelt sich um drei mal zweieinhalb Meter
feinster Wildseide in apricot, hellblau und bronze.
Es
ist nämlich an der Zeit für ein paar Stress-Dirndl.
Die
Abizeit steht an und während Tochterkind noch recht lässig durchs
Haus hüpft, komme ich schon wieder auf Puls.
Vor
zwei Jahren war es schon mal so weit. Als Kind 1.0 ins Abi ging,
baute ich mein ultimatives Entspannungsgerät auf. Meine Singer
Nähmaschine.
Schon
zwischen schriftlichen und mündlichen Prüfungen, hatte ich ein
Dirndl und ein Abendkleid fertig. Nix entspannt mich so sehr, wie der
Klang meiner Schneiderschere in Stoff, oder das hämmern meiner
Nadel.
Sobald
das Abi-Kind das Haus verlässt, koche ich dann eine große Kanne
Kaffee, beginne mit dem Zuschnitt und „lass sie keinen Blackout
haben“-Mantras.
Mit
dem Mathe-Abi fängt es in der kommenden Woche an. Ich suche mir für
dieses Fach den beruhigenden Blauton. In den Stunden bis ich am
Gesicht ablesen kann, wie es gelaufen ist, wird genäht, als gäb es
kein Morgen. Mein eigenes Mathe-Abi war einfach. Ich konnte NICHTS!
Dementsprechend musste ich nicht vor einem Blackout oder schwierigen
Fragen Angst haben. Selbst an den leichtesten Aufgaben würde ich
schon an der ersten Ableitung verkehrt abbiegen, das war mir klar.
Aber ich wusste, wie man sich auf die nötige Punktzahl heult. Hat
funktioniert. Den dennoch guten Schnitt habe ich Fächern wie
Deutsch, Englisch, Kunst und Philosophie zu verdanken. Und der
Tatsache, dass es kein höllisches Bayern-Abi war.
Ich
habe eine Freundin, die strickt gerade ihren dritten von vier Söhnen
durchs Abitur. Auch ne Methode. Zwei Schals habe ich schon von ihr.
Von mir aus könnte sie mehr Kinder haben. Sie strickt echt prima.
Vor allem unter Stress.
Und
nun ist es als auch hier zum zweiten und letzten Mal soweit. Mein
Equipment liegt bereit. Und sobald Tochterkind am Mittwoch das Haus
verlässt, schalte ich das Handy ab und den Stecker meiner
Nähmaschine in die Dose. Und dann... tschakkaaaaaaaaa!!!
Toitoitoi
Kind 2.0. Gib dein bestes. Und ich hoffe, dass meine mangelhaften
Gene in Sachen Mathematik deine Generation übersprungen haben.
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