350. Akt
Tochterkind
und ich fahren vom Essen noch schnell zu Käfer-Outlet. Ich möchte
einen Geschenkkorb kaufen. Gute Freunde von uns ziehen nach Berlin.
Was gibt es da Besseres als ein paar Bayerische Schmankerl? Okay, es
mag Besseres geben, aber mir ist halt nix anderes eingefallen.
Also,
ab ins Auto und los. Im Auto hören wir laut Musik und irgendwann
fange ich an mitzusingen. Zwei Töne lang. Dann werde ich von meiner
Tochter angeschaut, als ob sie gesehen hätte, wie der Weihnachtsmann
den Osterhasen schändet und ich beide während des Akts überfahre.
„Du
hast doch nicht etwa versucht zu singen, Mama?“
Wieder
der „Weihnachtsmann im Osterhasen, beide unter dem Auto“- Blick.
Natürlich bin ich sofort still und versuche so zu tun, als hätte
ich bloß gegähnt.
Einundzwanzig,
zweiundzwanzig... sie dreht die Musik wieder laut und wir tanzen wie
die Bekloppten im Auto. Sie macht Moves mit dem Titel „Der
Rasensprenger“, „Der Boxer“ und sonst noch ein paar gestörte
Bewegungen. Ich mache wieder mit, verkneife mir aber textähnliche
Laute.
Als
ich einparke eskalieren die Tanzbewegungen meiner Tochter derart,
dass die polnischen Arbeiter, die vor einem VW Bus stehen,
erschrocken ihre Wurststullen wegpacken und im und mit dem Bus
verschwinden.
Ich
schüttel mit dem Kopf.
„Bin
ich dir peinlich, Mama?“ Tochterkind grinst quer übers Gesicht.
„Das kann ich besser.“ höre ich noch, als ich durch die
Schiebetür rausche.
Gleich
nach den ersten zwei Schritten: „Maaaaaamaaaaaaa! Kann ich das Brot
haben?“
Ihre
Stimme klingt wie die einer Dreijährigen, die man gleich im Wald
aussetzen möchte.
Ich
reagiere nicht und gehe weiter in Richtung Geschenkkörbe.
„Maaaaamaaaaa!
Darf ich die Dose hier haben?“, „Die Servietten sind hübsch,
krieg ich die?“, „Lauf nicht so schnell, Mamaaaaa. Bin ich dir
peinlich?“, „Krieg ich die Kassiererin da?“
Ich
kicher durch die Gänge. Zwischen zwei Geschenkkörben und der
Möglichkeit selber etwas zusammenzustellen, pendel ich mich ein, als
Tochterkind die nächste Stufe zündet. Im Hintergrund läuft
„Buffalo Soldier“ von Bob Marley und Kind 2.0 tanzt dazu, als
hätte sie in jedem Coffeeshop Amsterdams eine Inhalationskur
gemacht. Sie wippt in den Knien und wedelt mal wüst, mal träge mit
den Armen.
Ich
entscheide mich für einen Geschenkkorb und trage selbigen zur Kasse.
Tochterkind
tanzt weiter, ist nun aber dazu übergegangen immer wieder laut zu
rufen:“Mamaaaaaaa! Hast du mein Gras geraucht? Immer rauchst du mir
mein ganzes Gras weg.“
Das muss der Abi-Stress sein, denke ich mir.
Ich
krieg mich nicht mehr ein und rufe nur zurück: „Klar, ich bin die
Mutter, die nach dem Rasenmähen den größten Spaß hat, weil sie
glaubt, dieses Gras wäre schon mal ein Anfang.“
Die
Kassiererin schaut immer wieder abwechselnd auf mich und mein tanzendes und
„Mama hat mein Gras geraucht“- singendes Kind und ist sichtlich
irritiert. Sie hat ja keine Ahnung, in was für einer Familie ich
groß geworden bin. Da gehört sowas hier ja noch zum beinahe
diskreten Verhalten.
Ich
zucke mit den Schultern und sage: „Die ist nicht immer so.“
Kaum
verlassen wir den Laden, läuft mein Kind wieder aufrecht, lacht sich
schlapp und fragt nochmal nach: „War ich dir peinlich, Mama?“
„Nö!“
sage ich. Ich hatte schließlich selber Spaß bei der Aktion. Und
dennoch reift in mir der Gedanke, beim Abiball im Ledermini auf der
Bühne die Rihanna zu geben und solange zu twerken, bis mein Kind
mich aus dem Saal schleift. Und dabei werde ich dann immer wieder
fröhlich rufen:
„Bin
ich dir peinlich, Mausi? Bin ich dir peinlich?“
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