Samstag, 29. April 2017

350. Akt

Tochterkind und ich fahren vom Essen noch schnell zu Käfer-Outlet. Ich möchte einen Geschenkkorb kaufen. Gute Freunde von uns ziehen nach Berlin. Was gibt es da Besseres als ein paar Bayerische Schmankerl? Okay, es mag Besseres geben, aber mir ist halt nix anderes eingefallen.
Also, ab ins Auto und los. Im Auto hören wir laut Musik und irgendwann fange ich an mitzusingen. Zwei Töne lang. Dann werde ich von meiner Tochter angeschaut, als ob sie gesehen hätte, wie der Weihnachtsmann den Osterhasen schändet und ich beide während des Akts überfahre.
Du hast doch nicht etwa versucht zu singen, Mama?“
Wieder der „Weihnachtsmann im Osterhasen, beide unter dem Auto“- Blick. Natürlich bin ich sofort still und versuche so zu tun, als hätte ich bloß gegähnt.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig... sie dreht die Musik wieder laut und wir tanzen wie die Bekloppten im Auto. Sie macht Moves mit dem Titel „Der Rasensprenger“, „Der Boxer“ und sonst noch ein paar gestörte Bewegungen. Ich mache wieder mit, verkneife mir aber textähnliche Laute.
Als ich einparke eskalieren die Tanzbewegungen meiner Tochter derart, dass die polnischen Arbeiter, die vor einem VW Bus stehen, erschrocken ihre Wurststullen wegpacken und im und mit dem Bus verschwinden.
Ich schüttel mit dem Kopf.
Bin ich dir peinlich, Mama?“ Tochterkind grinst quer übers Gesicht. „Das kann ich besser.“ höre ich noch, als ich durch die Schiebetür rausche.
Gleich nach den ersten zwei Schritten: „Maaaaaamaaaaaaa! Kann ich das Brot haben?“
Ihre Stimme klingt wie die einer Dreijährigen, die man gleich im Wald aussetzen möchte.
Ich reagiere nicht und gehe weiter in Richtung Geschenkkörbe.
Maaaaamaaaaa! Darf ich die Dose hier haben?“, „Die Servietten sind hübsch, krieg ich die?“, „Lauf nicht so schnell, Mamaaaaa. Bin ich dir peinlich?“, „Krieg ich die Kassiererin da?“
Ich kicher durch die Gänge. Zwischen zwei Geschenkkörben und der Möglichkeit selber etwas zusammenzustellen, pendel ich mich ein, als Tochterkind die nächste Stufe zündet. Im Hintergrund läuft „Buffalo Soldier“ von Bob Marley und Kind 2.0 tanzt dazu, als hätte sie in jedem Coffeeshop Amsterdams eine Inhalationskur gemacht. Sie wippt in den Knien und wedelt mal wüst, mal träge mit den Armen.
Ich entscheide mich für einen Geschenkkorb und trage selbigen zur Kasse.
Tochterkind tanzt weiter, ist nun aber dazu übergegangen immer wieder laut zu rufen:“Mamaaaaaaa! Hast du mein Gras geraucht? Immer rauchst du mir mein ganzes Gras weg.“
Das muss der Abi-Stress sein, denke ich mir.
Ich krieg mich nicht mehr ein und rufe nur zurück: „Klar, ich bin die Mutter, die nach dem Rasenmähen den größten Spaß hat, weil sie glaubt, dieses Gras wäre schon mal ein Anfang.“
Die Kassiererin schaut immer wieder abwechselnd auf mich und mein tanzendes und „Mama hat mein Gras geraucht“- singendes Kind und ist sichtlich irritiert. Sie hat ja keine Ahnung, in was für einer Familie ich groß geworden bin. Da gehört sowas hier ja noch zum beinahe diskreten Verhalten.
Ich zucke mit den Schultern und sage: „Die ist nicht immer so.“
Kaum verlassen wir den Laden, läuft mein Kind wieder aufrecht, lacht sich schlapp und fragt nochmal nach: „War ich dir peinlich, Mama?“
Nö!“ sage ich. Ich hatte schließlich selber Spaß bei der Aktion. Und dennoch reift in mir der Gedanke, beim Abiball im Ledermini auf der Bühne die Rihanna zu geben und solange zu twerken, bis mein Kind mich aus dem Saal schleift. Und dabei werde ich dann immer wieder fröhlich rufen:

Bin ich dir peinlich, Mausi? Bin ich dir peinlich?“ 

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