344. Akt
Es
gibt Dinge mit denen bin ich zickig.
Ja, okay, ich mag nicht, wenn
man mein Haus abbrennt, meinen Wagen klaut oder in meiner Abwesenheit
den Stecker meines Gefrierschranks zieht. Aber im Großen und Ganzen
komm ich mit all den Sachen schon noch irgendwie zurecht. Wo man
allerdings Probleme mit mir kriegen kann ist, wenn man irgendwelchen
Blödsinn mit meinen Schuhen macht. Okay, ich bin die Frau, die schon
fast eine intime Freundschaft mit ihrem Werkzeugkasten hat und zur
Not auch den Rasenmäher mit einer Nagelfeile repariert, aber wenn
man mir die Absätze abschrabbelt oder versehentlich auf meine Pumps
stiefelt, dann kann ich schon mal richtig eklig werden.
Normalerweise
bringe ich meine Schuhe auch nur zum Schuster meines Vertrauens. Der
weiß, dass ich weiß, wo er wohnt und keine Hemmungen habe ihm
Zucker in den Tank zu streuen.
Welcher
Teufel mich geritten hat genau ihm untreu zu werden? Keine Ahnung! Ob
es ein Fehler war? Keine Frage!
Also...
ich nehme zwei meiner Lieblings-Schuhe. Jimmy Choo. Nieten.
Wickelband um die Fesseln und eine rattenscharfe Metallschließe.
Blöd nur, dass mindestens zwei Ösen fehlen, um sie so um die Füße
zu kriegen, dass man sicherer laufen kann, als auf einer schmalen
Planke bei starkem Seegang. Und das auch noch auf dreizehn Zentimeter
pfeilspitzen Absätzen.
Ösen?
Das kann doch kein Problem sein. Also greif ich mir die Treterchen,
verpacke sie sanft in den zu ihnen gehörenden Stoffbeutel und trage
sie behutsam ins Ortszentrum in die Reinigung, die auch über einen
Schuster verfügt. Ich erkläre mein Problem und ziehe dabei das
schwarze Leder aus dem Beutel, als handelte es sich dabei um drei
Kilo vom Alba-Trüffel.
Und
ja! Ich hätte stutzig werden müssen, als die Dame hinter dem Tresen
meine nahezu verängstigten Schuhchen mit ihren Griffeln packt, nickt
und sie zu ein paar schnöden Stiefeletten stellt. Ich verweise auf
den Beutel und dass ich die Schuhe eigentlich gerne wieder
mitgenommen hätte. Also gleich nach dem Anbringen der nötigen Ösen.
Als Antwort bekomme ich, dass der Schuster nur donnerstags da sei und
ich die Schuhe entsprechend am Donnerstagnachmittag wieder abholen
könnte. Es ist Dienstag.
War
es meine Scheu? Wollte ich nicht als die blöde Ziege dastehen, die
für ein Paar Schuhe einen Mordsaufriss macht? Hätte ich ihr
mitteilen sollen, dass die Schuhe mehr gekostet haben als mein erstes
Auto? Also in D-Mark?
Ich
atme tief ein. Sage nochmal exakt meinen Wunsch und verlasse dann auf
ihr desinteressiertes Nicken den überheizten Raum.
Nach
zwei Tagen Warten auf die donnerstägliche Nachmittagszeit mache ich
mich auf den Weg.
Im
Laden sehe ich schon meine Schuhe. Hach, wie schön ist
Wiedersehensfreude. Zumindest so lange, bis ich die Schuhe in der
Hand habe. Ich begutachte das bearbeitete Lederband und
hyperventiliere fast.
„Was???“
einatmen – ausatmen! „Was haben sie denn gemacht???“
„Zwei
Ösen. Wollten Sie doch oder?“
Einatmen
– ausatmen – einatmen! Keine Gewalt anwenden. Zumindest nicht
gleich.
„Die
Ösen hier sind schwarz!“
„Ja,
sehe ich.“
„Die
neuen Ösen sind silber. Zudem sind sie mit gespreizten Rand. Das
heißt, dass sämtliche Seidenstrümpfe, die ich jemals da drunter
tragen könnte unmittelbar eine Sollbruchstelle im Fesselbereich
bekommen.“
„Tragen
Sie die Schuhe doch ohne Strümpfe. Sind doch Sandalen.“
„Außerdem
sind die Ösen auch noch deutlich kleiner, als die Originallöcher.
Sie lassen sich kaum schließen .“
Die
Dame nimmt mir einen Schuh aus der Hand und drückt mit Gewalt die
Schnalle zu.
Ich
denke darüber nach, ob es noch als Affekthandlung gilt, wenn ich ihr
jetzt sofort dreizehn-Zentimeter Stilettos unsanft ins Ohr ramme.
Hängt
vermutlich von der Schuh-Affinität des entscheidenden Richters ab.
Ich verzichte auf das Risiko an einen Sneaker-Juristen zu geraten und
den Rest meines Lebens in Birkenstock im Knast zu verbringen.
Ich
packe zähneknirschend meine Schuhe in den Stoffsack, zahle (!!!) und
verlasse die Reinigung, die die Schuhe ihrer Kunden nur donnerstags
schänden lässt.
Nie
mehr werde ich dorthin gehen. Sollte ich Reinigungsdienste oder
Schusterarbeiten benötigen, schmeiße ich mein Zeug eher weg.
Künftig werde ich wieder alles in die Innenstadt bringen, wie zuvor.
Und nun stelle ich das bitter-verstörte Schuhwerk in mein
Deko-Regal. Als ewige Erinnerung, dass Vertrauen sich nicht nur auf
Gynäkologen, Zahnärzte und Nachhilfelehrer beschränken sollte. Das
wird mir eine Lehre sein.
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