Sonntag, 23. April 2017

344. Akt

Es gibt Dinge mit denen bin ich zickig. 
Ja, okay, ich mag nicht, wenn man mein Haus abbrennt, meinen Wagen klaut oder in meiner Abwesenheit den Stecker meines Gefrierschranks zieht. Aber im Großen und Ganzen komm ich mit all den Sachen schon noch irgendwie zurecht. Wo man allerdings Probleme mit mir kriegen kann ist, wenn man irgendwelchen Blödsinn mit meinen Schuhen macht. Okay, ich bin die Frau, die schon fast eine intime Freundschaft mit ihrem Werkzeugkasten hat und zur Not auch den Rasenmäher mit einer Nagelfeile repariert, aber wenn man mir die Absätze abschrabbelt oder versehentlich auf meine Pumps stiefelt, dann kann ich schon mal richtig eklig werden.
Normalerweise bringe ich meine Schuhe auch nur zum Schuster meines Vertrauens. Der weiß, dass ich weiß, wo er wohnt und keine Hemmungen habe ihm Zucker in den Tank zu streuen.
Welcher Teufel mich geritten hat genau ihm untreu zu werden? Keine Ahnung! Ob es ein Fehler war? Keine Frage!
Also... ich nehme zwei meiner Lieblings-Schuhe. Jimmy Choo. Nieten. Wickelband um die Fesseln und eine rattenscharfe Metallschließe. Blöd nur, dass mindestens zwei Ösen fehlen, um sie so um die Füße zu kriegen, dass man sicherer laufen kann, als auf einer schmalen Planke bei starkem Seegang. Und das auch noch auf dreizehn Zentimeter pfeilspitzen Absätzen.
Ösen? Das kann doch kein Problem sein. Also greif ich mir die Treterchen, verpacke sie sanft in den zu ihnen gehörenden Stoffbeutel und trage sie behutsam ins Ortszentrum in die Reinigung, die auch über einen Schuster verfügt. Ich erkläre mein Problem und ziehe dabei das schwarze Leder aus dem Beutel, als handelte es sich dabei um drei Kilo vom Alba-Trüffel.
Und ja! Ich hätte stutzig werden müssen, als die Dame hinter dem Tresen meine nahezu verängstigten Schuhchen mit ihren Griffeln packt, nickt und sie zu ein paar schnöden Stiefeletten stellt. Ich verweise auf den Beutel und dass ich die Schuhe eigentlich gerne wieder mitgenommen hätte. Also gleich nach dem Anbringen der nötigen Ösen. Als Antwort bekomme ich, dass der Schuster nur donnerstags da sei und ich die Schuhe entsprechend am Donnerstagnachmittag wieder abholen könnte. Es ist Dienstag.
War es meine Scheu? Wollte ich nicht als die blöde Ziege dastehen, die für ein Paar Schuhe einen Mordsaufriss macht? Hätte ich ihr mitteilen sollen, dass die Schuhe mehr gekostet haben als mein erstes Auto? Also in D-Mark?
Ich atme tief ein. Sage nochmal exakt meinen Wunsch und verlasse dann auf ihr desinteressiertes Nicken den überheizten Raum.
Nach zwei Tagen Warten auf die donnerstägliche Nachmittagszeit mache ich mich auf den Weg.
Im Laden sehe ich schon meine Schuhe. Hach, wie schön ist Wiedersehensfreude. Zumindest so lange, bis ich die Schuhe in der Hand habe. Ich begutachte das bearbeitete Lederband und hyperventiliere fast.
Was???“ einatmen – ausatmen! „Was haben sie denn gemacht???“
Zwei Ösen. Wollten Sie doch oder?“
Einatmen – ausatmen – einatmen! Keine Gewalt anwenden. Zumindest nicht gleich.
Die Ösen hier sind schwarz!“
Ja, sehe ich.“
Die neuen Ösen sind silber. Zudem sind sie mit gespreizten Rand. Das heißt, dass sämtliche Seidenstrümpfe, die ich jemals da drunter tragen könnte unmittelbar eine Sollbruchstelle im Fesselbereich bekommen.“
Tragen Sie die Schuhe doch ohne Strümpfe. Sind doch Sandalen.“
Außerdem sind die Ösen auch noch deutlich kleiner, als die Originallöcher. Sie lassen sich kaum schließen .“
Die Dame nimmt mir einen Schuh aus der Hand und drückt mit Gewalt die Schnalle zu.
Ich denke darüber nach, ob es noch als Affekthandlung gilt, wenn ich ihr jetzt sofort dreizehn-Zentimeter Stilettos unsanft ins Ohr ramme.
Hängt vermutlich von der Schuh-Affinität des entscheidenden Richters ab. Ich verzichte auf das Risiko an einen Sneaker-Juristen zu geraten und den Rest meines Lebens in Birkenstock im Knast zu verbringen.
Ich packe zähneknirschend meine Schuhe in den Stoffsack, zahle (!!!) und verlasse die Reinigung, die die Schuhe ihrer Kunden nur donnerstags schänden lässt.

Nie mehr werde ich dorthin gehen. Sollte ich Reinigungsdienste oder Schusterarbeiten benötigen, schmeiße ich mein Zeug eher weg. Künftig werde ich wieder alles in die Innenstadt bringen, wie zuvor. Und nun stelle ich das bitter-verstörte Schuhwerk in mein Deko-Regal. Als ewige Erinnerung, dass Vertrauen sich nicht nur auf Gynäkologen, Zahnärzte und Nachhilfelehrer beschränken sollte. Das wird mir eine Lehre sein.  

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