Samstag, 1. April 2017

341. Akt 

Ich gehe Brötchen holen. Ein bisschen verschlafen bin ich noch. Habe nachts um 3 Uhr noch den Party-Shuttle für Tochterkind gemacht. Muss ´ne tolle Party gewesen sein. Sie ist hellwach, und ich lenke mit meinen herabfallenden Augenlidern. Egal. Jetzt ist es immerhin fünf Stunden später.
Der Weg zum Bäcker ist leicht. Kriegt man auch mit akutem Schlafdefizit hin. Raus aus dem Haus, links, zweihundert Meter, links, hundert Meter. „Guten Morgen, fünf Kürbiskern bitte.“
Vor dem letzten links Abbiegen kommt mir auf dem Gehweg eine kleine Familie entgegen. Er (nennen wir ihn der Einfachheit halber mal Wilfried) schiebt einen Kinderwagen. Und sie (mal eben kurz Gerlinde genannt) trottet hinterher. Aller Müdigkeit zum Trotz bin ich gerne freundlich. Und deswegen grüße ich das Dreierpaket mit einem netten „Guten Morgen.“
Wilfried zuckt kurz zusammen und grüßt dann zurück.
Ich habe kaum Zeit über seine Schreckhaftigkeit nachzudenken, als Gerlinde ihn anblökt, was das denn nun wieder soll. Sie bleiben stehen und ich gehe gaaaaaanz langsam weiter. Interessiert mich ja nun doch, was Wilfried da verkehrt gemacht haben soll. Innerhalb von weniger als fünf Sekunden macht Gerlinde ihrem Kinderwagen schiebenden Gatten die Hölle heiß. Und zwar... tadaaaaa!!! Weil er mit wildfremden Frauen flirtet. Geradezu angebaggert hätte er mich, meint sie.
Der arme Kerl, denke ich mir. Wenn sie schon bei der Antwort auf ein „Guten Morgen“ so reagiert, was hätte sie gemacht, wenn ich ihn nach dem Weg oder so gefragt hätte? Wickeltasche bis zur Bewusstlosigkeit ins Genick gedroschen???
Liebe Gerlinde (oder wie auch immer du in Wirklichkeit heißt), es ist nicht so, dass dein Mann euren Nachwuchs in die nächste Hecke geschoben und animalisch schreiend auf mich drauf gesprungen wäre. Er hat auch nicht hysterisch lachend seinen Ehering vom Finger gerupft und in den Gulli geschmissen. Er hat nur schlicht und einfach und völlig normal einen Gruß erwidert. Und das auch noch überaus erschrocken. Ich halte dir mal zu Gute, dass du vielleicht noch in einer postnatalen Hormonschwankung verharrst und dein Familienanspruch einfach ein bisschen überbordet. Ich kann dir aber bloß den Rat geben, deinem Gatten ein „Guten Morgen“ zu netten Menschen zu gestatten. Sonst hast du in ein paar Jahren einen Mann, der „Gute Nacht, Schatz“ sagt. Allerdings nicht mehr zu dir. Also mach dich locker. Alles wird gut.


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