Mittwoch, 29. März 2017

340. Akt

Lieber Mercedes Kombifahrer.
Ja, du bist sicher zurecht stolz auf deinen Wagen. Es ist ein schönes Auto. Silbern und ein bisschen angedellt. Äh... wenn ich ehrlich bin – Nein, es ist dann doch nicht so schön. Aber ich will dir ja keine schlechte Laune machen. Dass du gute Laune haben musst, konnte ich daran erkennen, wie du mich geschnitten hast, als du ohne zu schauen aus der Tankstelle gefahren bist. Nicht unbedingt zügig, aber dafür konsequent und ohne Schulterblick. Ich könnte schwören, dass du auch auf lästiges Blinken oder gar in den Rückspiegel Schauen verzichtet hast. Aber was soll´s? Ging ja alles gut.
Nun ergab es die Straßenlage, dass ich in den folgenden Kilometern hinter dir her dackeln musste. Du warst zu schnell, um als stehendes Hindernis zu gelten und zu langsam um zu verhindern, dass sich schon nach fünfhundert Metern kleine Schaumblasen vor meinem Mund sammelten. Nun gut. Die Sonne schien und du hast bestimmt was Tolles im Radio gehört. Vielleicht ein bisschen „Atemlos“ von Helene Fischer, denn so bist du gefahren. Zumindest aus meiner Perspektive.
Ja, auch ich bin gerne ein freundlicher Mensch. Personen an Zebrastreifen oder am Straßenrand lasse ich in der Regel mit einem Lächeln die Straße überqueren, ohne es mir nochmal zu überlegen und einen Kaskoschaden zu riskieren. Höflichkeit ist gut. Auch und vor allem im Straßenverkehr. Wenn du allerdings stehenbleibst und hartnäckig zwei alte Damen über die Straße winkst, die selbige überhaupt nicht überqueren wollen, dann werde ich vielleicht ein klitzekleines bisschen... sagen wir – ungeduldig. Hupen kann ich mir dann nur noch unter Schmerzen verkneifen, aber ich gebe mein Bestes. Auch das langsamer Werden vor grünen Ampeln, damit man bei eventuellem Gelb mit beiden Füßen auf das Bremspedal springen kann scheint dir viel Spaß zu machen. Ich überlege, ob ich noch ein Fläschchen Baldrian im Handschuhfach habe. Entweder für mich zur Beruhigung oder um es dir durch das geöffnete Fenster an die Rübe zu schmeißen, du dämlicher Honk! Die neuen Bissspuren hat mein Lenkrad deiner Fahrweise zu verdanken. 
Wieso verdammt nochmal muss man jede Geschwindigkeitsbegrenzung halbieren und dann um eine Zahl zwischen eins und zehn ergänzen und selbige konstant im Tacho behalten. Innerorts gelten 50km/h, du mobile Nervensäge. Der Schweiß sammelt sich in meinem Nacken, wenn ich bedenke, du wärst an einem meiner schlechten Tage vor mir aufgetaucht. Suizidales, frontgetriebenes, Hindernis, du in deiner silbernen Blechbüchse willst du mich wahnsinnig machen? Aaaaaarghhhhhh!!!! Du bist da ganz nah dran. Und wenn ich erstmal vor Wut aus den Ohren blute, dann fahre ich dir bis in deine Garage nach, und dann nochmal drei Meter weiter. Atemübungen helfen kaum noch und ich reiße schon fast kleine Teile aus meinem Armaturenbrett. 
Endlich!
Entgegen deines natürlichen Verhaltens biegst du nun ab und fährst bei rot auf die Autobahn. Ich atme ein.
Hier werde ich halten. Mich beruhigen und sanft ein- und ausatmen. Du bist mir entkommen. Und das ist gut so. Nicht auszudenken, wie herzlich ich dich gerne nochmal auf das übliche Verhalten im Straßenverkehr hingewiesen hätte. Ich schüttel mit dem Kopf. Lang und ausgiebig.

Und dann hupt einer hinter mir. Recht hat er. Ich habe schon 0,5 Sekunden der aktuellen Grünphase verschludert. Nun aber nichts wie auf´s Gas. Ich will ja nicht, dass sich jemand über mich ärgert. 

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