Montag, 20. März 2017

339. Akt

Ich habe mich gerade im Schweiße meines Angesichts durch den örtlichen Schreibwarenladen gearbeitet. Lediglich auf der Suche nach angemessenem Geschenkpapier. Klingt einfach, ist es aber nicht. So wie im Kleidungsbereich auch, bin ich mit zu vielen Farben, Formaten und Drucken leicht überfordert. Bis ich mich für knackiges Silberpapier mit „Happy Birthday“-Smileys entscheide, haben gefühlte hundert andere Kunden sich schon mit dem kompletten Pinsel-, Briefkuvert- und Grußkarten-Sortiment eingedeckt. Ich wäge ein letztes Mal ab (vielleicht irgend ein Papier selber gestalten?) und greife dann doch wieder zur erst gewählten Rolle. Ja. Besser. Dezentes Dunkelblau mit schniekem „Alles Gute“-Schriftzug.
Während ich in Höhe der Tür an der Kasse warte, sehe ich, dass jemand den Laden betreten will. Ich lange nach dem Griff und ziehe die Tür zu mir heran, so dass der Kunde eintreten kann. Ein Junge. Nicht groß, vielleicht ein, zwei Burger am Tag zuviel, etwa zwölf Jahre alt. Er schaut mich mit großen Augen an.
Bitte schön!“ sage ich.
Danke schön!“ sagt er.
Freundlich überrascht. Aber eben freundlich und höflich. Ich freue mich.
Ich freue mich so lange, bis sich der Herr hinter mir befleißigt fühlt, meine Nettigkeit mit abfälliger Stimme zu rügen.
Der Rotzlöffel soll mal lernen die Türe alleine aufzumachen. So was Unhöfliches aber auch. Das Pack muss erst mal Höflichkeit lernen. Können nicht ´guten Tag´, ´Danke´ und ´Bitte´ sagen, und lassen sich den Arsch hinterher tragen.“
Ich bin verblüfft, als ich mich umdrehe. Hinter mir steht ein Mann im Alter von deutlich über siebzig Jahren und kriegt sich gar nicht mehr ein. Leider ist jetzt erst März und es sind noch keine Schultüten verfügbar, mit denen ich ihn rektal zur Contenance bewegen könnte und deswegen frage ich ihn, was seine Kritik soll. Okay, meine Wort klingen eher nach „Jetzt hackt´s wohl. Der Junge hat sich bedankt und Guten Tag gesagt. Der hat mehr Anstand als so ein Giftzwerg!“
Ich bin mir nicht mehr sicher, aber es könnte auch noch ein „seniler“ vor dem „Giftzwerg“ rausgerutscht sein. Ich war halt noch ein wenig angegriffen von der Geschenkpapiersuche.
Im ersten Moment denke ich, dass nun der spärlich beharrte Kopf platzt. In der Tat habe ich selten jemanden so schnell und so rot anlaufen sehen.
Während mein Text sicherlich ein wenig unartig war, entsprach mein Ton ja noch einer moderaten Lautstärke. Der alte Herr hätte im Gegenzug mit dem Volumen seiner Stimme drei Föhnfrisuren trocken gekriegt. Leider war dadurch nicht mehr zu vernehmen, was er eigentlich sagen wollte.
Was soll´s? Geschrei hat mich selten gejuckt. Wer schreit hat Unrecht, heißt es schon immer. Und je lauter der ältere Sa.. äh... Herr rumschreit, umso mehr löst sich meine Muskulatur, und ich muss grinsen. Ich bezahle tiefenentspannt mein Geschenkpapier, lächle das Rotköpfchen noch einmal an und verschwinde aus dem Laden. Kurz nach mir verlässt auch Mister „Cholerisch 2017“ das Geschäft. Vermutlich hat er vor lauter Aufregung alles was er kaufen wollte in die Ecke gepfeffert und geht jetzt in den Wald Bäume umtreten.
Ich schüttle mit dem Kopf. Wie soll denn diese ständig vermaldeite Jugend Höflichkeit lernen, wenn solche Honks jede Form von Anstand niedermachen und sich gebärden wie militante Knigge-Verweigerer? Sollen das Vorbilder sein? Für wen denn? Für Absolventen der „Ich bin ein aggressiver Vollspacken und habe einen an der Waffel.“-Lehrgänge?
Dann muss ich wieder grinsen. Der Junge war echt niedlich in seiner Überraschung, dass jemand nett und höflich zu ihm ist. Ich hoffe, er nimmt von dem Moment mehr mit, als von dem was folgte.

Dann laufe ich weiter nach Hause und überlege, ob das silberne Geschenkpapier vielleicht doch ein klitzekleines bisschen besser wäre als.... ach lassen wir das.         

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