Donnerstag, 27. April 2017

348. Akt 

Tochterkind macht sich gerade über mich lustig. So richtig mega-autoritär war ich ja nie. Die Kinder haben gehorcht. Oder ich habe es nicht bemerkt. Stolz zähle ich mich zu den Müttern, die nicht 276 mal „Chantal, zum allerallerletzen Mal. Du kommst jetzt sofort her!“ rufen mussten, bevor sie aufgeben. Zum einen war nach dem ersten Rufen schon Schluss und zum anderen hätte ich Tochterkind nie und nimmer Chantal genannt.
Aber als ich heute vor meiner Tochter stehe und sie auf eine nahende Zubettgehzeit hinweise, kringelt sie sich fast. Nicht nur, dass sie mit ihren 1,80 m gute zwei Zentimeter größer ist als ich. Es ist vielmehr die Geste meinerseits. Die rechte Hand in der Taille abgestützt und mit dem linken Zeigefinger am gestreckten Arm in Richtung Kinderzimmer weisend. Dazu ein gestrenger Blick und in Falten gelegte Stirn.
Sie kriegt sich gar nicht mehr wieder ein.
Mama, soll ich mal ein Foto machen, wie du da gerade stehst?“
Sie hält sich am Türrahmen.
Dann kannst du ja mal sehen, ob du selbst dich so ernst nehmen würdest. Wieder schallendes Lachen. Zusätzlich wird nun auch der große Bruder gerufen. Sich gemeinsam über den pädagogischen Schub des Muttertieres lustig zu machen, macht offensichtlich viel mehr Spaß, als sich hier alleine vor Lachen zu schütteln.
Natürlich will ich kein Foto. Ich ahne ja, wie dämlich diese Pose aussieht.
Napoleon muss in ähnlicher Haltung zur Alpenüberquerung aufgerufen haben. Bloß mit Pferd und ohne Hausschuhe.
Ich nehme also meinen Arm wieder runter und schaue meinen beiden Ablegern (die mich gerade mit steigendem Gelächter abwechselnd persiflieren) grinsend zu.
Ja ja... egal ob siebzehn oder zwanzig. Immer noch irgendwie meine Babies. Und mittlerweile definitiv alt genug, zu wissen, wann sie müde sind. Ich lache ein bisschen mit und wir schicken uns gegenseitig mit strengem Blick und erhobenem Zeigefinger ins Bett. Dann geh ich Zähneputzen.
Vor dem Spiegel reiße ich nochmal den Arm so hoch wie gerade im Flur.
Tochterkind hat recht. Man kann von Strenge halten was man will, aber manche Posen kann man einfach nicht ernst nehmen.
Es sei denn man will mit ein paar Soldaten über die Alpen. Das habe ich aber nicht vor. Ich will bloß ins Bett.


1 Kommentar:

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