Mittwoch, 30. November 2016

296. Akt

Tja, da sind Tochterkind und ich nach Köln zu diesem Casting eingeladen und wir freuen uns drauf. Damit es am Tag keinen Stress gibt, reisen wir schon am Vorabend an und beziehen unser Zimmer in dem Hotel, in dem das Ganze stattfinden soll. Wir sind gut drauf und pfeifen uns vor lauter guter Laune noch einen abendlichen Tapas-Teller und den besten Pina Colada der letzten zehn Jahre rein. Früh geht’s mit Gekicher und dem Supertalent im TV ins Bett. Wir können ausschlafen. Das gefällt uns sehr. Blöd nur, dass bei Tochterkind der Alarm ihres iPads in aller Herrgottfrühe anschlägt. Sie hört es nicht, aber dafür stehe ich im Bett. Was soll´s? Kein Problem.
Um zwölf stellen wir uns in die lange Schlange derer, die das Hotelzimmer, so wie wir, bis zur letzten Minute ausreizen. Wir sind nett gerichtet und frisiert und gespannt auf das, was uns erwartet. Ist ja nicht das erste Mal, dass wir einzeln oder gemeinsam bei sowas aufschlagen. Das Casting wird von der Firma Lambertz veranstaltet und ich spekuliere auf Dominosteine ohne Ende. Herrliche Aussichten.
Als wir den Veranstaltungssaal finden, klatschen wir nochmal ab. Wir sind gut drauf und wurden schließlich aus einer Menge Leute ausgewählt.
Gleich nach Betreten des Raums vermuten wir uns im falschen Film. Ich frage bei den beiden jungen Frauen, die hier das ganze leiten nach. Doch, doch wir seien richtig, heißt es.
Schön, schön.
Am Boden sitzen nämlich fünfzehn bis zwanzig junge Frauen im Spagat, mit dem Fuß hinterm Kopf oder anderen Dehnungspositionen. Bildhübsche Hardcore-Highclass-Tänzerinnen. Es befinden sich nun also Profi-Tänzerinnen im Raum und ein Mutter und Tochterteam, das beim Versuch eines Querspagates ärztliche Nachsorge bräuchte.
Nach und nach kommen allerdings noch einige Nicht-Proftänzerinnen. Supersüße Mädels, Kleidergröße 32 bis 34 und ähnlich überraschtem Blick wie der von Tochterkind und mir. Zum Glück wirklich angenehme junge Frauen und keine Zicken-Terroristen. Ich frage erneut nach. 
Doch, doch, wir sind richtig. Gleich kommt dann noch der Choreograph und studiert mit uns eine Choreographie ein. Nichts schlimmes. Alles easy. So heißt es.
Der Choreograph heißt Fidel. Das klingt nach Lateinamerika. Das klingt nicht nach Tanzlehrer Heinz-Gerd, der uns mit ein paar Discofox Schritten etwas rasch Nachvollziehbares beibringen soll. Choreographen, die Fidel heißen, klingen nicht nach eins-zwei-Tepp! Die klingen nach Zack! Zack! Zack! Up-Tempo und trotzdem lässig. Wir warten bis Fidel kommt und ich gönne mir noch ein Hand voll Dominosteine.
Als wir ihn sehen, verabschieden wir uns von Blüschen und Jeans und retten uns in die Sportsachen, die wir glücklicherweise mit dabei haben. Fidel baut nun innerhalb von wenigen Minuten eine Choreo auf, die Lady Gaga röchelnd in die Garderobe treiben würde. Wir geben uns größte Mühe, kommen ganz gut mit und ich schwitze wie ein Elch. Noch schnell eine weitere Hand voll Dominosteine.
Während es bei den Profitänzerinnen schon echt genial aussieht, kann ich stolz behaupten, dass die Choreo auch bei uns sitzt. Nach spätestens einer Woche Training würde das dann auch bei mir recht geschmeidig aussehen. Aber wir haben nur dreißig Minuten, dann kommt das Catwalk-Training. Das macht keine Probleme. Das mach ich schon ewig. Allerdings vergesse ich in dieser Zeit das ein oder andere Element der Choreo. Noch Dominosteine irgendwo?
Dann wird die Stimmung ein wenig angespannt. Lambertz-Chef Herr Dr. Bühlbecker kommt mit einem Gefolge weiterer Menschen. Sie schauen sich die Choreographie an und dann jeden einzelnen von uns. Fühlt sich komisch an. Ich fühle mich wie die Mutter der Kompanie. Lässig doppelt so alt, wie die meisten Mädels hier. Mindestens. Wieso haben die mich eigentlich eingeladen??
Tochterkind und ich lachen uns an. Wir fühlen uns ein wenig deplaziert, aber ich habe noch ein weiteres Tablett mit Dominosteinen gefunden. Alles gut. Zum Schluss wird uns mitgeteilt, dass die Jury sich noch berät. Wir würden in den nächsten Tagen Bescheid bekommen. Na ja, so recht mit einem „Juhu! Hurra! Ihr seid dabei!“ rechnen wir nicht ernsthaft.
Es wird wohl eher eine große Kiste mit lecker Lebkuchen sein, die bei uns eingeht. Nicht das ursprüngliche Ziel, aber auch schön. Bei einem abschließenden Selfie mit Dr. Bühlbecker stelle ich fest, dass er zu den Menschen gehört, die einem auch dann ins Gesicht schauen, wenn sie nur einen Moment Zeit haben. Das mag ich und schätze ich hoch. Ich erkläre ihm, dass wir das einzige Mutter-Tochter-Team im Saal seien. Er ist kurz beeindruckt. Beziehungsweise – er nimmt es zur Kenntnis. Dann packen Tochterkind und ich zusammen. Noch einen Cocktail mit breitem Grinsen an der Hotelbar. Ups, das ist ja mal alles anders verlaufen als erwartet. Ab zum Flughafen und wieder heim.
In der Folgenacht träume ich von LKWs, die mich in den kommenden Wochen mit Süßigkeiten versorgen.

Und von Fidel, der mich mit eins-zwei-Tepp! im Printenkostüm durch die Hotelhalle jagt.    

Dienstag, 29. November 2016

295. Akt

An den Herrn im karierten Hemd vor mir. Ja, ich weiß, Darmgrimmen kann schrecklich sein. Es rumort und drückt und fühlt sich nicht wirklich gut an. Aber können Sie sich vorstellen, was Ihr erfreutes Luft Ablassen für andere Menschen bedeutet? Tochterkind und ich wollten bei der Stewardess schon nach Fallschirmen fragen.  Woher ich mir so sicher bin, dass Sie das waren? Kurz bevor die nächste olfaktorisch unerträgliche Dunstwolke zu uns nach hinten schwappte,  neigten Sie sich stets nach rechts und leicht nach vorne. Dazu kam dann ein glücklicher Seufzer und ein entsetzter Blick vom bedauernswerten Passagier zu Ihrer Linken. Oh mein Gott! Was für ein Fassungsvermögen haben Sie eigentlich?
Das nahm von Boarding bis zum Aussteigen überhaupt kein Ende.

Und nur dass Sie es wissen: Nein! Meine Tochter und ich haben auf dem 45 Minuten dauernden Flug nicht geschlafen. Wir waren bewusstlos! Ich bitte Sie künftig auf stark blähende Speisen vor dem Abflug zu verzichten. Wenn sich Zwiebelkuchen und Bohnensuppe tatsächlich nicht vermeiden lassen, dann wäre vielleicht ein Löffelchen Lefax zum "Abgasen", wie es so schön heißt, vor (!!!) dem Betreten des Flugzeug ganz angenehm. Nicht nur für Sie, sondern auch für die anderen Passagiere. Das Problem ist nämlich, dass wir Gasmasken nicht durch die Security kriegen. Und Vakuumverpackungen für wild blähende Passagiere sind vermutlich noch nicht erfunden.

Sonntag, 27. November 2016

294. Akt

Oh! Mein! Gott!!!
Mein Leben barg nun ja schon den einen oder anderen Moment der Peinlichkeit. Aber heute habe ich dann wohl den Vogel abgeschossen. Es wird ein bisschen dauern, bis ich wieder unter dem Teppich vorkomme, aber selbst dann, werde ich in bestimmten Regionen nur noch mir angeklebtem Bart und Trenchcoat herumlaufen.
Und das kommt so:
Tochterkind hat in einer Werbung eine bestimmte Art Schuh gesehen. Bei Schuhgröße 42 springt man auf alles, was verfügbar ist. Das kenne ich von mir selbst ja auch. Ich also, nett wie ich bin, ab ins Auto und zu dem Schuhladen. Ich hab noch genau den Wunsch meiner Tochter im Ohr und latsche direkt zur Verkäuferin.
Und frage sie nach den „Strap-ons“ in Leodruck.
Sie sagt, dass sie sowas nicht hätten. Eine andere Verkäuferin wendet sich grinsend ab und geht fort. Vermutlich ins Lager.
Na, das kann ich ja leiden. Erst die Leute mit Werbung in den Laden locken und dann die Ware nicht verfügbar haben. Ich frage erneut nach, ob sie tatsächlich keine Strap-ons in irgendeiner Größe im Geschäft haben.
Sie wird rot und verneint erneut.
Nee, nee, nee, nicht mit mir.
Da schickt mich meine Tochter nach Ihrer aktuellen (!) Werbung hierher, um ihr diese Dinger zu besorgen und sie haben keine da?!“
Sie suchen für Ihre Tochter?“ Nun wechselt die Dame die Farben in einer Geschwindigkeit, die mir fremd ist. Hektisch kramt sie nach der aktuellen Werbung. Dann zeigt sie mir den Prospekt.
Ja, genau die!“ Stolz und bestätigt deute ich auf ein Paar Schuhe mit weißer Sohle.
Das sind Slip-ons.“ Ihr Farbwechsel beruhigt sich.
Ja, sag ich doch!?“
Äh, nein. Aber ich zeige ihnen gerne die Ware.“
Sie führt mich zu den Schuhen und ich werde tatsächlich in der 42 fündig. Kein Leoprint, stattdessen Zebra. Zur Not geht es bestimmt als monochromer Tiger durch. Auch ne Raubkatze. Wird schon passen.
Dann fahre ich heim. Im Kopf gehe ich immer wieder das Missverständnis durch. So lange, bis ich diesen anderen Begriff mal google.
Strap-ons sind. Äh.. tja... anschnallbare künstliche Geschlechtsteile. Also männliche. Soll es auch in allen Größen geben. Vermutlich auch in der unmenschlichen 42.
Tja, und seitdem sitze ich hier und leuchte in sattem Rot. Mein Kopf sieht aus wie eine fulminante Weihnachtskugel, aber egal. Tochterkind hat ihre Schuhe und ich werde sicher bald meine natürliche Gesichtsfarbe zurückbekommen. Hoffe ich.


Samstag, 26. November 2016

293. Akt

Pfeif auf was in der Weltgeschichte passiert. Es gibt Wichtigeres. Immer!
Erdogan und Israel? Langweilig. Es gibt doch weitaus eklatantere Themen, mit denen man sich beschäftigen muss.
Da sind zum Beispiel Sarah und Pietro L.
Die beiden Kinder, die vom „Rammeln, Titten, Lallen“-Sender (Danke, lieber Freezer) seit ihrem ersten Auftauchen vor die Kameras gezerrt wurden, und seitdem nur noch unter Flutlicht leben.
Kann mal einer die beiden beiseite nehmen und erklären, dass es Dinge gibt, die man niemals, niemals, niemals sagt oder tut, wenn eine Kamera dabei ist? Und dieses eherne Grundgesetz wird auch nicht ausgehebelt, wenn ein Redakteur sagt: „Doch das musst du jetzt machen, sonst ist deine Karriere im Ar***.“
Ja, klar in und durch die Medien kann man einen Haufen Geld verdienen. Aber dann gleich Eisprung, Hausbau, Fremdgehen via Instagram und Facebook zu publizieren, kreide ich in allen Farben den Eltern der beiden an. Ich bin nun wahrlich keine zwanzig mehr, aber wenn ich vorhätte, die Flecken in meinem Bett mit der ganzen Welt zu teilen, dann würde mich meine Mutter mit Beton-Stiefeln in die Isar zum Schwimmen schicken. Und zwar bevor (!) ich so etwas mache. Meine Kinder würden vermutlich noch kopfschüttelnd irgendwelche Vorwürfe auf die Betonstiefel pinseln. Und womit? Mit Recht!
Aber das soll´s auch schon gewesen sein, von den beiden.
Früher sagte man in ähnlichen Situationen, dass man seine Seele an den Teufel verkauft habe. Aber wer braucht denn heute noch den gehörnten Honk mit dem Dreizack? Wir haben das private TV und genügend Leute, die so lange medial auf einen drauf hauen, bis man vor die Hunde geht. Das wiederum ist dann auch prima. Dann kann man nämlich grandios aufheulen und sich gleichzeitig am Untergang belustigen und darüber entsetzt sein.
Als ich vor vielen (sehr, sehr, sehr vielen) Jahren als erste „dunkelhäutige“ Miss Germany Finalistin von der BILD-Zeitung liebevoll und tröstend übers Haupt gestrichen bekam, lief bereit ein Rudel weiterer Journalisten übers Land, um Freund, Bekannte und Kollegen nach ein paar Nacktfotos von mir anzuhauen. Ich danke noch heute meiner juvenilen Prüderie und der Verschwiegenheit einiger Leute, dass ich nicht morgens aufgewacht bin mit einer Titelseite, auf der meine sekundären Geschlechtsorgane abgebildet waren. Und damals – Hurra – waren die Privaten noch in den Baby-Schuhen.
Ich oute mich und gebe zu, dass ich Sendungen wie das Dschungel-Camp oder Promi-Big-Brother liebe. Dort, wo sich Menschen (wissentlich um das Fiasko,welches sie unter Umständen aus ihrem Privatleben machen) treffen.
Zwischen Fremdschämen und lieb gewinnen finde ich dort meine komplette emotionale Spannbreite.
Meine Tochter hat mal gefragt, ob ich mir einen Aufenthalt im Dschungel-Camp vorstellen könnte. Dann fiel ihr aber ein, dass ich noch nicht mal bei hochgelassenen Jalousien ins Bad gehe, wenn es draußen finster wird und ich das Licht einschalten muss. Im schlimmsten Fall bin ich prüde oder spießig. Im besten Fall retro, vintage oder oldschool. Aber für mich gibt es Dinge, die man nicht vor so vielen Leuten tut.
Es sei denn man befindet sich auf einer drehenden Scheibe in St. Pauli und kriegt mordsviel Geld dafür.

Und man hat keine Mutter mit Betonmischer.      

Freitag, 25. November 2016

292. Akt 

Es ist wieder an der Zeit. Föhnige 19 Grad Ende November und George Michaels „Last Christmas“ lassen keine Zweifel aufkommen. Es wird wieder geweihnachtet was der Lebkuchen hergibt und der Spekulatius bröselt. Eigentlich mag ich diese Zeit.
Überall sieht man nun Menschen mit ständig ansteigender Verzweiflung im Blick, auf der Jagd nach dem passenden Geschenk. Und die Weihnachtsmärkte verkaufen fast mehr Prosecco als Glühwein. Einfach herrlich diese sanft konsumgeschwängerte Stimmung in Coca-Cola-Rot.
Und auch dieses Jahr werde ich wieder scheitern. Ich hatte nun viele Jahre Zeit zum Üben, aber ich kriege es immer noch nicht hin.
Die ansprechende, herzerwärmende Dekoration meiner Räumlichkeiten passend zur Jahreszeit.
Was diesen Sinn angeht, wurde in meiner Familie offensichtlich eine Generation übersprungen.
Nämlich meine. Meine Mutter ist eine begnadete Dekorateurin. Meine Tochter ebenfalls. Wenn die beiden ein paar Zweige auf den Tisch werfen und Kerzen drapieren, dann kommt sofort Weihnachtsstimmung auf. Wenn ich dasselbe mache, dann nadeln lediglich ein paar Zweige auf dem Tisch und den Wachs kriege ich kaum noch von der Platte. Es ist echt gemein. Selbst wenn ich mich exakt nach den Jahreszeiten-Seiten von Schöner Wohnen richte oder die Dekoabteilung aus den besten Möbelhäusern kopiere, sieht es immer so aus, als ob gleich einer kommt und sagt „Musst auch mal wieder aufräumen, ne?“
Das gleiche gilt übrigens für jede Form von Deko und für jedes zu dekorierende Fest. Zu Halloween habe ich noch letztes Jahr mit den Kindern Kürbisse geschnitzt. Die sahen cool aus und konnten wenigstens kurzfristig über meinen ausgeprägte Dilettantismus in diesem Bereich hinwegtäuschen.
Aber Ostern könnte ich auch einfach ne Packung Eier von freilaufenden Hühnern vor den Kamin stellen. Ich kriege es einfach nicht besser hin.
Na ja. Zumindest haben sich meine Kinder daran gewöhnt. Am kommenden Montag hat meine Tochter Geburtstag. So wie alle Jahre, werde ich die zwei Mickey Mouse „Happy-Birthday“-Girlanden an Gardinenstange und Lampe anbringen und auf weitere Deko verzichten. Ich lenke einfach mit schönen Geschenken ab. Dann schaut keiner mehr, ob es hier aussieht wie immer. Und der Vorteil vom Nicht-Dekorieren ist, dass ich hinterher auch nix wegräumen muss. Ja! Genau. Alles hat auch Vorteile. Selbst mein Versagen als Dekorateuse.


Donnerstag, 24. November 2016

291. Akt

Oh! Mein! Gott!
Tochterkind und ich haben uns total fahrlässig beworben und nun werden wir nach Köln eingeladen. So weit so gut. Allerdings haben wir uns in den letzten Wochen unserer Weihnachtsform angenähert. Nichtsahnend, dass wir unsere super-Sommershape-Figur noch einmal benötigen.
Klar freuen wir uns riesig, aber die Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten vier Tage noch auf Größe 36 zu kommen ist verhältnismäßig gering. Zumal allein die Einladung schon exorbitante Gelüste weckt. Es geht nämlich zur Hammer-Modenschau der Lambertz Gruppe. Also Dominosteine, Lebkuchen, lecker Kekse und allerlei mehr. Vermutlich werde ich das erste Model sein, was nackig läuft, weil es sein Kostüm in einem Fress-Flash aufgefuttert hat.
Tochterkind ist da disziplinierter. Aber die hat es eh leichter. In dem Alter muss man nur mal fünf Minuten über Diät nachdenken und hat gleich drei Kilo runter. Im Gegensatz dazu, muss mir nur einen Moment lang eine Sachertorte in den Sinn kommen und ich habe drei Kilo drauf.
Fair ist das nicht.
Für die nächsten Tage aufs Laufband zu ziehen bringt es auch nicht. Wenn jetzt noch schnell vier Kilo runter sollen, dann müsste ich mich von einem Körperteil verabschieden.
Aber so viel ist es gar nicht. Lediglich eine seichte winterliche „Schwammigkeit“ gilt es in den Griff zu kriegen. Klingt leicht. Ist es aber nicht.
Heute Abend bin ich zum Beispiel bei einer Freundin eingeladen. Sie hat ganz lieb geschrieben, dass sie uns was zu Essen richten will. Ich habe darum gebeten darauf zu verzichten. Ich nehm dann mal ein Wasser. Auch lecker.

Aber sobald das Ganze rum ist, werde ich mir mal wieder zu einer großen Pommes rot-weiß mit Currywurst im Bergwolf antreten. Aber bis dahin vielleicht doch noch aufs Laufband.

Mittwoch, 23. November 2016

290. Akt 

Der Schlüssel dreht sich im Schloss und ich bin ein bisschen irritiert. Tochterkind kommt aus der Schule? Ist doch eigentlich viel zu früh. Sie kommt zu mir ins Büro und sieht traurig aus. Das mag ich nicht. Albern? Ist okay! Fröhlich? Ist prima! Genervt? Lässt sich auch ertragen! Aber traurig, nee, das mag ich nicht. Dann zeigt sie mir ihr Telefon.
Ich habe es ja nicht mit Technik. Weder mit Android noch mit Apple, aber ein geborstenes Display kann auch ich erkennen. Sieht nicht wirklich gut aus.
Dann erzählt sie, was passiert ist. Kurz vorm Gymnasium wurde sie von einem Radfahrer über den Haufen gefahren. Von hinten. Ich fass es nicht! Dem Typen hat es wohl nichts weiter ausgemacht. Kurz angehalten, umgedreht, wieder in den Sattel und weg war er. Blöd nur, dass Tochterkind dadurch zu Fall kam. Und ihr Handy ebenfalls.
Ihr ist glücklicherweise weiter nichts passiert, aber ihr Telefon hat den Kontakt mit dem Bürgersteig weit weniger gut weggesteckt.
Sie beschreibt den Radler als grauhaarigen Mann über fünfzig, auf einem silbernen Fahrrad. Ja, über fünfzig ist relativ und silberne Fahrräder nicht wirklich selten. Und dennoch. Mein erster Reflex ist sofort loszuziehen und jeden in Frage kommenden Radfahrer im Genick zu packen und für eine Gegenüberstellung nach Hause zu schleifen. Aber glücklicherweise setzt dann mein Verstand ein und weist mich auf die strafrechtlichen Konsequenzen einer entsprechenden Handlung hin. Ich frage mehrfach nach, ob sie wirklich nicht und nirgends verletzt sei. Aber so wie es aussieht, hat Tochterkind keine weiteren Beschädigungen davongetragen. Wenn sie auch nur eine Schramme hätte, würde ich nicht einen Moment zögern und diesen dämlichen Vollpfosten ausfindig machen. Unter Umständen müsste ich mal ein paar Tage vor der Schule warten, um zu schauen, ob es sich um seine Stammstrecke handelt. Für den Fall, dass es so ist, würde ich dafür sorgen, dass er künftig und lange ohne Sattel fährt. Im Gelände. Ohne Schmerzmittel!
Anzeigen lohnt nicht. Viel zu wenig Informationen. Die Anzeige würde im Sande verlaufen und mich nur unnötige Energie und Lebenszeit kosten.

Okay... jetzt ist erst mal Schluss mit arbeiten. Ich packe Kind 2.0 ein und wir fahren zu Apple. Sie hat sich das Telefon zu weiten Teilen hart erspart. Auch wenn ich das Geld nicht wirklich selber drucke und selber nur ein altes Samsung habe, kann ich sie mit dieser Bröselscheibe und den weiteren Defekten nicht einfach so alleine lassen. Und falls sie mir auf dem Weg den Radfahrer zeigt, der sie vorhin über den Haufen gemangelt hat, könnte es dann doch passieren, dass ich ein bisschen schneller agiere, als es mein Verstand gebietet. Ein plötzliches Türöffnen, wenn man sich auf selber Höhe befindet, wäre dann schon mal eine Maßnahme, die meiner momentanen Laune entspricht. Allerdings nur, wenn sie sich ganz sicher ist. dass er der Super-Honk ist. Und wenn keiner guckt.