Mittwoch, 16. Mai 2018

367. Akt

Äh.. ja... da bin ich wieder.
Allzu lange habe ich meinen schönen Blog ruhenlassen. Aber er ist ja kein Hefeteig und manchmal setzen Texte Staub an.
Also, es ist viel passiert in der Zwischenzeit. Manche Menschen haben mein Leben verlassen – im schlimmsten Fall sogar das ihre – und manche sind hinzugekommen. So befinde ich mich jetzt immer noch mit Kind 1.0 und 2.0 in dem schönen Häuschen am Rande der Stadt, habe mein Leben allerdings um eine Handvoll Menschen ergänzt. Eigentlich könnte alles rosarot sein, wenn, ja wenn nicht der ganze Alltagskram sich immer wieder vor einem aufstauen würde und dann niedergeschrieben gehört. Und so soll es nun weitergehen. Und immer noch kann ich an vielen Stellen sagen:
Ich fasse es nicht!
Manche Dinge lassen sich ja nicht vermeiden. Viele lassen sich nicht verdrängen und einige lauern geradezu darauf zu passieren. Bei jedem. Und bei mir natürlich auch. Dabei muss es sich jetzt nicht um ernsthaft Grausiges handeln. Lediglich sanft Beängstigendes reicht da völlig. Und so schleppte ich das Wissen über das was anstand lange mit mir herum.
Und wann immer mich eine Freundin oder ein Bekannter nach meinem Alter fragte, überlegte ich, ob ich nun lügen, aggressiv werden, lässig abwinken oder es einfach ignorieren sollte.
Wie gesagt, mein Problem war nichts weltbewegendes.
Es war mein 50. Geburtstag.
Natürlich war mir klar, dass ich nicht über Nacht die Farbe wechseln würde oder schlagartig Mariannengraben tiefe Falten ins Gesicht gemeißelt bekäme. Auch würde keiner kommen, aus Sicherheitsgründen bei meinen Highheels die Absätze abbrechen und mir einen schnieken Rollator in den Flur stellen. Es war einfach nur so eine große Zahl. 50. Halbvoll oder halbleer? An guten Tagen war es mir wurscht, an schlechten war mir eher nach randvoll. Aber Prosecco und Cocktails halten den Lauf der Zeit ja nun nachweislich auch nicht auf.
Wie machten es denn die anderen? Also nicht die, die prinzipiell das Alter ihrer Kinder von dem ihren abzogen?
Meine ältere Schwester ist glaub ich locker rübergerutscht. Mein Bruder war schon nervöser. Mein Freund hatte fünf Monate vor mir diese Schallgrenze überschritten, ohne sich wesentlich zu verändern und bei einigen Bekannten änderte sich das Geburtsdatum und somit das Alter ohnehin quasi wöchentlich.
Während ich so meinen Gedanken nachging, legte mir meine von der fünfzig noch exorbitant weit entfernte Tochter lachend ein schwarzrotgoldenes Band vor. Genau genommen war es kein Band, sondern eine Schärpe.
"Mama, Du warst 3. Miss Germany 1986/87???"
"Tja...Äh ja. War ich!" Einen Moment überlegte ich, ob das nun rückwirkend meine Erziehung versaut, entschied mich aber dagegen.
Und schlagartig hatte ich eine Idee, wie ich mich von so unkomischen Gedanken wie dem Älterwerden ablenken könnte.
"Du Mausi, was hältst du denn davon, dass Du jetzt da mal teilnimmst? Einfach so. Ist ne gute Schule und macht echt Spaß." Dass so ein Wahlenparcours für mich eine angenehme Zerstreuung sein könnte, sagte ich nicht.
Tochterkind lachte. Hatte sie doch gerade angefangen zu studieren und sah sich damit wie alle Erstsemester völlig ausgelastet. Sie brachte meine Schärpe zurück in den Erinnerungskarton im Keller und verzog sich kichernd in ihr Zimmer. Kurz danach kam sie wieder runter und machte mir einen Vorschlag, der meine Altersverschreckte Perspektive völlig verschob.
"Die Wahl gibt es übrigens auch noch für Senioren." - Hatte sie da wirklich Senioren gesagt? War es schon so weit? - "Also es gibt da die Wahl zur Miss 50 plus Germany. Ist der selbe Veranstalter. Wär doch was für dich oder?"
Ich zuckte mit den Schultern. War das was für mich? Ich recherchierte im Internet. Tatsächlich. Miss 50 plus. Veranstaltet von der Miss Germany Corporation Oldenburg. Genau wie meine Miss Wahl damals. Zwischen einer halbleeren Tasse Kaffee und vor einem randvollen Glas Prosecco reifte die Idee. Nicht vor dem Unausweichlichen ausweichen, sondern es feiern.
"Hurra, ich werde 50!"
Nach einem weiteren Glas Prosecco konnte ich das schon beinahe laut sagen. Und es brauchte auch kein drittes mehr, bis ich das Formular ausgefüllt und die Bilder verschickt hatte.
Ja! Party statt Panik.
Am 9. September war es dann soweit. Über Nacht verlor ich die Vier. Aber ansonsten verlor ich nix. Das Happy Birthday-Gesinge klang genau so schräg wie in den Jahren zuvor und keiner nahm Maß oder pflanzte eine Eiche, um mir in unferner Zukunft eine Holzkiste zu bauen. Alles war lässig und schon kurz danach erfolgte eine Einladung mit dem Casting für die Top 20 der Miss 50 plus Germany Wahl. Dann würde es jeder wissen. Tolle Frauen waren bei dem Casting. Alle Ü 50 und keine saß weinend in der Ecke oder schnippelte an ihrem Ausweis herum. Ein paar Wochen später traf man sich dann erneut. Wer hier dran teilnimmt, darf kein Problem damit haben, dass andere einen jünger schätzen. Ü50 heißt Ü50. Da wird nix mehr verschönert oder runtergerechnet. Und schon in der Nacht zum 26. November wusste ich, dass ich alles richtig gemacht hatte. Statt zu heulen oder irgendwelche Zahlen von meinem Alter abzuziehen, habe ich es laut herausgebrüllt.
Jippieh!!! Ich bin 50 und ich bin es gern. Und während das Krönchen neben der Siegerschärpe auf meinem Hotelnachtkästchen glitzerte war ich mir sicher, dass es kein schärferes Alter geben konnte. 50 ist nämlich nicht das neue 40, sondern einfach nur eine Zahl. Und ich mache das Beste draus.
Und ab jetzt, lasse ich auch wieder daran teilhaben.
Ich fass es nicht!

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